Süddeutsche Zeitung

Ebersberg:Schlimmste Borkenkäferplage seit zehn Jahren

Lesezeit: 3 min

Der Ebersberger Forst ist so stark befallen wie lange nicht mehr. 3000 Bäume wurden deswegen bereits gefällt. In zwei anderen Gegenden Bayerns hat die Plage eine neue Dimension erreicht.

Von Korbinian Eisenberger, Ebersberg

Es ist schwarz, feinkörnig und rieselt durch die Finger. Das Pulver sieht fast aus wie Schnupftabak, findet Heinz Utschig, der Chef im Wald. Wie schön das Leben sein könnte, wäre hier lediglich eine Horde Prisen-Schnupfer am Werk gewesen. Das Pulver, mit dem es der Forstamtsleiter in diesen Wochen zu tun bekommt, ist jedoch wenig amüsant und reichlich ungenießbar. Wenn Utschig im Wald Bohrmehl entdeckt, "dann ist klar, dass hier der Käfer drin ist", sagt er. Für so einen Baum hat dann sehr bald die letzte Stunde geschlagen.

Er ist wieder da, es ist wieder seine Zeit: Der Borkenkäfer. Er kommt alle Jahre wieder, doch in diesem Sommer, da taugt es ihm in Bayerns Wäldern ganz offensichtlich besonders gut. Die Forstbetriebe aus der Region sprechen jedenfalls von der schlimmsten Borkenkäferplage seit vielen Jahren. "Im Ebersberger Forst hat es so einen Befall seit 2007 nicht mehr gegeben", sagt Utschig. Damals seien die Schäden vergleichbar gewesen. Wegen des Borkenkäfers sind derzeit 70 Männer in Utschigs Auftrag im Einsatz. Dabei ist es in seinem Gebiet bei weiten nicht am schlimmsten.

Der Borkenkäfer ist auch anderswo auf dem Vormarsch, von München bis in den Bayerischen Wald. Viele Forstbetriebe im Freistaat geben seit Tagen Warnmeldungen an die Öffentlichkeit heraus. "Fast alle Kollegen haben damit zu kämpfen", sagt der Ebersberger Forstchef Utschig. Das Problem: Der Borkenkäfer hat gerade so günstige Bedingungen wie lange nicht mehr. Bei normalen Verhältnissen würde die Fichte den Käfer abwehren, der Baum würde den Käfer mit seinem Harz ersticken. Vor zwei Jahren geriet das System jedoch wegen Orkan Niklas durcheinander, wie so oft wenn Stürme über Wälder fegen. "Wenn ein Baum von der Wurzel getrennt ist und nicht mehr optimal mit Wasser versorgt ist, dann kann er den Käfer nicht mehr einharzen", erklärt Utschig.

Das Ergebnis kann man derzeit im Ebersberger Forst sehen. Dort sind seit Anfang Mai Waldarbeiter und Förster mit Harvester-Maschinen am Werk. "Wir überprüfen jeden einzelnen Baum", sagt Utschig. Rot gefärbte Kronen bedeuten, dass eine Fichte befallen ist, der Käfer hat hier die Wasserzufuhr unterbrochen, oben sterben die Nadeln ab. Knapp 3000 Fichten mussten deshalb im Forst bereits gefällt werden, so viele wie sonst in einem ganzen Sommer. "Wenn wir gut hinkommen, dann müssen wir noch 5000 umschneiden", so Utschig. Mit etwas Pech, sagt er, da könnten es auch mehr als 10 000 werden.

In München und Kipfenberghat der Befall eine neue Dimension erreicht

Den Ebersberger Forst hat es böse erwischt. In anderen Teilen Bayerns hat der Borkenkäfer aber noch deutlich heftiger zugeschlagen. Die bayernweiten Hotspots des Käfers liegen diesen Sommer in den Waldgebieten der Forstbetriebe München und Kipfenberg (zuständig für die Wälder in den Landkreisen Eichstätt und Weißenburg-Gunzenhausen). Beide Betriebe haben ihren Mitarbeitern wegen der Borkenkäferplage einen weitgehenden Urlaubsstopp erteilt. Der Befall hat hier eine ganz neue Dimension erreicht.

Donnerstagnachmittag, ein Anruf bei Wilhelm Seerieder, dem Leiter des Forstbetriebs München, er ist seit 30 Jahren im Geschäft. "So wie sich der Borkenkäfer gerade entfaltet, hatten wir das vorher noch nie", sagt er. Das Problem:Früher brüteten Borkenkäferweibchen pro Jahr eine einzige Generation an Eiern aus. "In den vergangenen beiden Sommern waren es bei uns aber jeweils drei", sagt Seerieder. Wie das in einem der größten Gebiete Bayerns möglich war? In München zerstörte Sturm Niklas innerhalb kürzester Zeit 400 000 Bäume - und damit viermal so viel, als normal abgeholzt würde. "Es war unmöglich, das Holz wegzuschaffen, bevor der Borkenkäfer sich einnistete", sagt Seerieder. Dieses Jahr befürchtet er erneut drei Brutgenerationen des "Buchdruckers", der häufigsten Borkenkäfer-Art in der Münchner Region.

Der Kampf gegen den Borkenkäfer ist derzeit schwer zu gewinnen, kaum einer hat das deutlicher zu spüren bekommen als Walter Erl, Forstchef in Kipfenberg. "Die Lage bei uns ist deutlich ernster als nach dem Sturm vor zehn Jahren", sagt er. Beim Monitoring wird dort der Borkenkäferbestand gemessen. "Da haben wir Fangzahlen wie sonst nur im August", sagt er, dann, wenn die zweite oder dritte Generation geschlüpft ist.

Ihm und seinen Mitarbeitern macht vor allem die Hitze zu schaffen, die Klimaerwärmung erleichtert dem Käfer in Bayern das Brüten. Käferholz lässt sich besser verkaufen als Bäume, die ein Sturm zersplittert hat. Das ist aber auch der einzige Lichtblick. Schon jetzt hätten sie in ihrem Gebiet wegen des Borkenkäfers 30 000 Festmeter Holz geschlagen, "ein Vielfaches von dem, was normal ist", sagt Erl. Bis zum Herbst könne sich die Menge leicht verdoppeln, dann hätte der Käfer in Erls Wäldern mehr zerstört als Niklas vor zwei Jahren.

Was kann man dagegen tun? Suchen, finden, fällen und wegschaffen, und zwar so schnell es geht - da sind sich Förster und Waldkenner einig. Im Landkreis Ebersberg hat nun die dortige Waldbesitzervereinigung reagiert. Auf Einladung von Geschäftsführer Michael Kammermeier kamen 17 Waldeigentümer zu einer Führung nahe der Gemeinde Zorneding. Er gab Hinweise dazu, wie man eine befallene Fichte erkennt. Wichtig: Der Baum muss sechs Wochen nach dem Befall im Sägewerk liegen. Falls nicht, fällt die durchfurchte Rinde auf den Boden, und der Borkenkäfer kann seine Eier im Wald verbreiten. Und das sind bei einem Weibchen allein in einer Brut um die 100 000 Stück.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.3577336
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 07.07.2017
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.