Süddeutsche Zeitung

Gesundheit in Ebersberg:Wenn Pfleger wegen der Impfpflicht kündigen

Lesezeit: 3 min

Die Einrichtungsleiter im Landkreis Ebersberg reagieren besorgt auf die branchenspezifische Regeländerung. Wäre ein Gesetz für alle der bessere Weg?

Von Johanna Feckl, Ebersberg

Im Marienheim in Glonn habe erst vor eineinhalb Monaten eine Mitarbeiterin signalisiert, dass sie mit Blick auf eine damals noch diskutierte Impfpflicht vielleicht den Arbeitgeber wechseln wolle. Das erzählt Heimleiter Hubert Radan. Möglich, dass auch andere Gründe mit eine Rolle gespielt haben - aber die Mitarbeiterin habe ihre Gedanken mit der Impfpflicht begründet. Mittlerweile habe sie Taten folgen lassen, so Radan weiter: Die Mitarbeiterin hat gekündigt. Und auch auf dem Schreibtisch von Stefan Huber, Chef der Ebersberger Kreisklinik, liegt bereits ein Kündigungswunsch.

Lange Zeit war es für die Politik ein Tabu, seit Mitte Dezember ist klar: Die Impfpflicht kommt, wenn auch nur für bestimmte Berufszweige - zumindest bislang. Es geht um eine Corona-Impfpflicht für alle Beschäftigten in Einrichtungen des Gesundheits- und Pflegebereichs. Bis zum 15. März 2022 muss dem jeweiligen Arbeitgeber ein Nachweis vorgelegt werden über eine abgeschlossene Impfung, ein Nachweis über eine Covid-Genesung oder ein ärztliches Attest, dass eine Impfung nicht möglich ist.

Betroffen ist davon nicht nur das Personal in Kliniken und Pflegeheimen, sondern sind beispielsweise auch Beschäftigte in Tageskliniken und Arztpraxen, im Rettungsdienst oder in Einrichtungen für Erwachsene mit einer geistigen Behinderung. Im Landkreis Ebersberg gibt es zahlreiche Stellen, die von dem neuen Gesetz betroffen sind. Wie wird dort auf die bevorstehende Regeleinführung reagiert? Im Landkreis Ebersberg sagen viele: Es werden dadurch mehr Probleme geschaffen als gelöst. Wäre ein Gesetz für alle der bessere Weg?

"Wir sind alle gemeinsam dieser Pandemie und deren Folgen ausgesetzt und wir kommen da auch nur gemeinsam wieder raus!", sagt etwa Stefan Huber von der Kreisklinik. Er spricht sich deshalb klar für eine allgemeine Impfpflicht als gesellschaftliche Pflichtaufgabe aus. "Wie soll ich einem Mitarbeiter erklären, dass er geimpft sein muss, um bei uns arbeiten zu dürfen, wenn dieser dann ungeimpfte Patienten behandeln soll?" Und: In der Klinik sind Huber zufolge 90 Prozent aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mindestens doppelt geimpft oder genesen. Das bedeutet, dass etwa 100 Klinikkräfte bislang weder einen vollständigen Impfschutz noch eine Covid-Erkrankung durchlaufen haben.

Im Einrichtungsverbund Steinhöring herrscht eine ähnliche Impfquote wie in der Klinik

Von ähnlichen Prozentzahlen bei ihrer Belegschaft berichtet Gertrud Hanslmeier-Prockl, Leiterin des Einrichtungsverbunds Steinhöring (EVS). Auch sie hält eine generelle Impfpflicht für "unbedingt erforderlich". Mit dem beschlossenen Gesetz würde man mit dem Finger auf das Personal im Gesundheits- und Pflegebereich zeigen - also diejenigen, die seit knapp zwei Jahren einen wichtigen Teil der Infrastruktur am Laufen halten "und dazu zählen auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die sich bislang nicht impfen haben lassen". Die ersten Corona-Ausbrüche, die es beispielsweise in den Wohngruppen des EVS in der Vergangenheit gab, so Hanslmeier-Prockl weiter, die habe es gegeben, weil sich die Bewohner außerhalb des EVS angesteckt haben: Auf dem Weg zur Arbeit, in der Arbeit, beim Einkaufen - wo man eben so unterwegs ist. "Unser Job ist Teilhabe: Menschen mit Behinderungen sollen am gesamtgesellschaftlichen Leben teilhaben." Das Problem sei nicht gelöst, wenn nun alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter vollständig geimpft sind.

Die Ansicht von Klinik-Chef Huber und EVS-Leiterin Hanslmeier-Prockl teilt Hubert Radan vom Marienheim - übrigens sind auch in seinem Haus von 160 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern 20 nicht geimpft oder genesen, also in etwa der gleiche Prozentsatz wie in der Klinik und in Steinhöring. Klar steht die Altenpflege sowie der Gesundheits- und Pflegebereich durch den Umgang mit besonders vulnerablen Gruppen auch besonders in der Verantwortung. "Aber es kommen ja auch von außen Leute in unser Heim - wir möchten auch weiterhin so gut es geht ein offenes Haus sein", so Radan. Er wünscht sich eine "gesamtgesellschaftliche Solidarität", in der sich alle impfen lassen, für die es möglich ist. "Ich bin der Meinung, anders kommen wir aus dem Sumpf nicht mehr heraus."

Es gibt Einrichtungen mit höherer Impfquote

Von einer höheren Impfquote in der Belegschaft berichten Martha Stark, stellvertretende Geschäftsführerin des Ebersberger BRK-Kreisverbands, und Marion Reger, Leiterin der Tagespflege-Einrichtung der Nachbarschaftshilfe in Baldham. Bei 98 Prozent steht aktuell das BRK, bei der Baldhamer Tagespflege ist von 99,9 Prozent die Rede. In beiden Einrichtungen sei die Impfpflicht deshalb kein großes Thema. Martha Stark vom BRK spricht von einer "glücklichen Lage", in der sie sich durch die sehr hohe Impfquote befinden. Die wenigen noch ungeimpften Mitarbeiter des BRK würden bis März, wenn die einrichtungsbezogene Impfpflicht in Kraft tritt, auch vollständig geimpft sein. "Das hätten wir aber auch ohne Impfpflicht geschafft", so Stark.

Und was könnten nun die Konsequenzen für den laufenden Betrieb in den verschiedenen Einrichtungen bedeuten, in denen die Impfquote zwar sehr hoch, aber eben noch weiter entfernt ist von 100 Prozent? Keine guten, so ist es von den betroffenen Stellen zu hören. Hanslmeier-Prockl vom EVS etwa spricht davon, dass unter Umständen im März Gruppen geschlossen werden müssen, weil dann zu wenig Personal vorhanden ist. Erzieherinnen beispielsweise könnten sich bei Einrichtungen bewerben, die Kinder ohne Behinderung betreuen - dort gibt es keine Impfpflicht. "Dieses Szenario müssen wir einfach leider im Kopf haben."

Eine generelle Impfpflicht könnte Kündigungen verhindern

Marienheim-Leiter Hubert Radan hält es für nicht unrealistisch, dass einige aus seinem bislang ungeimpften Personal kündigen werden, genauso möchte auch Klinik-Chef Huber nicht ausschließen, dass der eine oder andere Mitarbeiter die Branche wechseln wird. Eine generelle und damit branchenunspezifische Impfpflicht könnte Hubers Ansicht nach solchen möglichen Entwicklungen in seiner Belegschaft entgegenwirken. Gleiches sagt Hanslmeier-Prockl, denn damit gäbe es kein "Wegbewerben" in Arbeitsbereiche, in denen keine Impfpflicht herrscht.

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