Süddeutsche Zeitung

Brenner-Nordzulauf:Frag den Ebersbürger

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Dass die potenziellen Anlieger einer Neubaustrecke zum Brenner diese nun selber entwerfen können, wird den Widerstand dagegen wohl nicht völlig aus der Welt schaffen - aber vielleicht geringer machen.

Kommentar von Korbinian Eisenberger

Höchstwahrscheinlich haben die Ebersberger Landkreis-Bewohner nicht sonderlich mehr oder weniger demokratische Kompetenz als im übrigen Bayern. Und so dürfte es wohl eher Zufall sein, dass Monate nach dem über die Kreisgrenzen hinaus beachteten Bürgerentscheid zur umstrittenen Wald-Windrad-Frage erneut den Ebersberger Bürgern das Wort erteilt wird. Oder besser: Der digitale Stift. Die Deutsche Bahn ruft die Menschen in der Region in einem Pilotprojekt auf, den gewünschten Verlauf der zweigleisigen Zugtrasse für den Brenner-Nordzulauf in ein Online-Tool einzuzeichnen. Eine Premiere zwischen Grafing und Ostermünchen. Und eine Herangehensweise, die zeigt, dass Zufälle nicht zwingend schlecht sein müssen.

Eines haben Windräder und Bahnstrecken gemeinsam: Über ihre Vor- und Nachteile lässt sich trefflich streiten. Und weil Meinungen gehört werden wollen, ist es sicherlich nicht die schlechteste Idee der Bahn, auch bei diesem Thema den Bürgern eine Möglichkeit zu geben, sich konkret zu beteiligen. Das Tool ist intuitiv und an PC und Laptop mit einer Maus kinderleicht zu bedienen. Es ergibt zudem auch technisch Sinn - weil kein Planer der Welt sich an den potenziellen Standorten so gut auskennt wie jene, die dort leben.

Sicher ist Bürgerbeteiligung nicht immer und in allen politischen oder gesellschaftlichen Angelegenheiten hilfreich, allein schon weil bei inflationärem Einsatz direkter Demokratie Dringliches verzögert und verschleppt wird. In diesem Fall aber - wo Zeit nicht der große Faktor ist - war die Entwicklung der Bahn die Mühe und das Geld wert.

Klar ist, dass ein Kartenprogramm längst nicht Allheilmittel sein wird für aufkeimenden Widerstand. Man wird es bei Projekten wie diesen nie allen recht machen können - auch nicht mit der nun vereinfachten Möglichkeit, eigene Vorschläge zu präsentieren. Es wird immer Menschen geben, für die der Ausgang der Verhandlungen schlecht sein wird - und die sich verständlicherweise dagegen wehren. Die Bahn-Planer aber werden nun deutlich seriöser von sich sagen können, dass sie in der Zusammenarbeit mit den Leuten in der Region denkbare Varianten durchdekliniert haben. So können sie am Ende womöglich erheblich transparenter und nachvollziehbarer als bisher begründen, warum die finale Trasse die am wenigsten schlechte ist.

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Quelle:
SZ vom 03.08.2021
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