Süddeutsche Zeitung

Aktionstag:Polizei geht gegen Hassbotschaften im Netz vor

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Kriminalbeamte durchsuchen die Wohnung eines 28-Jährigen in Petershausen und stellen Beweismaterial sicher. Ihm werden Volksverhetzung und die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole vorgeworfen.

Von Helmut Zeller, Dachau

Damit hatte ein 28-Jähriger Petershauser nicht gerechnet, als es am Mittwochmorgen um sechs Uhr an der Wohnungstür läutete: Als er öffnete, stand die Polizei vor ihm. Kripobeamte aus Fürstenfeldbruck durchsuchten die Wohnung des Mannes, gegen den wegen Volksverhetzung und der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen ermittelt wird. Sie vernahmen den 28-Jährigen, der Hassbotschaften im Netz verbreitet haben soll. Die Polizei stellte Beweismaterial sicher - Laptops und Mobilfunktelefone.

Petershausen ist nur ein Fall: In Bayern gingen Polizei und Staatsanwaltschaft am Mittwoch, dem bundesweiten "Aktionstag gegen Hasspostings", gegen acht Tatverdächtige vor: Drei Frauen und fünf Männer im Alter zwischen 28 und 72 Jahren. Die Ermittler durchsuchten neben Petershausen auch noch Wohnungen und Häuser in München, Nürnberg, Pfaffenhofen an der Ilm, Ingolstadt und Aschaffenburg. Die Einsätze verliefen ohne Zwischenfälle und Widerstand der Beschuldigten, wie ein Sprecher des Polizeipräsidiums Oberbayern Nord mitteilte.

Der 28-Jährige fühlte sich im Internet sicher

Hass und Hetze haben im Internet ein erschreckendes Ausmaß angenommen. Als Reaktion darauf ernannte die bayerische Justiz 2020 eine Hate-Speech-Beauftragte bei der Generalstaatsanwaltschaft München - die Staatsanwältin Teresa Ott. Gleichzeitig wurden bei den 22 Staatsanwaltschaften im Freistaat entsprechende Sonderdezernate eingerichtet, deren Arbeit von Ott koordiniert und unterstützt wird. Ott erklärte: "Der heutige Aktionstag hat noch einmal eindrücklich gezeigt, dass die Anonymität im Internet nur eine vermeintliche ist, dass ein erhebliches Entdeckungsrisiko besteht und die Folgen beträchtlich sind. Hate-Speech ist kein Kavaliersdelikt und wird in Bayern auch weiterhin konsequent verfolgt."

Der Petershausener steht wie die anderen im Verdacht, sich in sozialen Netzwerken wegen Volksverhetzung schuldig gemacht und Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen verwendet zu haben - in der Regel sind das Hakenkreuze oder der sogenannte Hitlergruß. Zwei Beispiele aus früherer Zeit nennt Staatsanwältin Ott: Ein Beschuldiger postete unter anderem ein Bild, das ein Hakenkreuz zeigt und ein weiteres volksverhetzendes Bild. Ein anderer schrieb "Bombe drauf und sauber putzen" als Kommentar unter einem Video zum G7-Gipfel.

Ermittler vermuten eine hohe Dunkelziffer

Auch Bedrohungen und Beleidigungen, vor allem Prominenter aber auch Minderheiten, sowie die Aufforderung zu Straftaten im Internet werden strafrechtlich verfolgt. Welche Hassbotschaften und wie oft der 28-Jährige aus Petershausen gepostet hat, wollten die Behörden wegen der laufenden Ermittlungen nicht sagen. Die Hetze in sozialen Netzwerken richtet sich häufig gegen Flüchtlinge, Muslime, Homosexuelle, Frauen und Juden.

In den Jahren 2020 und 2021 wurden in Bayern ungefähr 4000 Fälle von Hassposting polizeilich erfasst, in mehr als 2300 Fällen leitete die Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren ein. Allerdings nehmen die Ermittler eine hohe Dunkelziffer an, da viele Fälle nicht zur Anzeige gebracht werden.

Bundesweit wurden im vergangenen Jahr 2411 Fälle registriert. Das entspricht einem Rückgang von 7,5 Prozent im Vergleich zum Jahr 2020. Harald Pickert, Präsident des Bayerischen Landeskriminalamts (BLKA), das die Einsätze am Mittwoch koordiniert hat, appelliert deshalb: "Es hat nichts mehr mit Meinungsfreiheit zu tun, wenn Hasskommentare in sozialen Netzwerken die Grenze der Strafbarkeit überschreiten. Erstatten Sie Anzeige bei der Polizei, wenn Sie auf Hasspostings stoßen oder gar selbst Opfer sind."

OB Hartmann im Fokus von Neonazis

Im Landkreis Dachau sind Hass und Hetze im Internet ein nicht unbekanntes Phänomen: Die Polizei fahndet nach einem mutmaßlichen Täter, der seit ein paar Jahren antisemitische Hetzbriefe an Burschenvereine, Kommunalpolitiker und Mitarbeiter von Einrichtungen zur Erinnerungsarbeit verschickt. Aufsehen erregte 2019 die rechtsextreme Pranger-Plattform "Nürnberg 2.0 Deutschland" im Netz. Ihre Urheber listeten unter anderem den Namen des Dachauer Oberbürgermeisters Florian Hartmann (SPD) auf. In den Fokus der Islamhasser und Neonazis rückten auch der Arbeitskreis Asyl Dachau, der Runde Tisch gegen Rassismus und das autonome Jugendzentrum Freiraum in der Stadt. Auf der "schwarzen Liste" stand auch der Name Walter Lübckes, des Kasseler Regierungspräsidenten. Ein Rechtsextremer erschoss den Kommunalpolitiker im Juni 2019 auf der Terrasse seines Wohnhauses in Istha. Hass und Hetze im Internet geben den Nährboden für Gewalttaten ab.

Bei dem mittlerweile achten bundesweiten Aktionstag gegen Hassbotschaften im Internet wurden am Mittwoch laut Bundeskriminalamt 91 Durchsuchungen in 14 Bundesländern vorgenommen. Die Ermittlungen gegen den 28-Jährigen aus Petershausen wegen Volksverhetzung und Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen leitet die Staatsanwaltschaft München II.

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