Süddeutsche Zeitung

Dachauer Spargel:Allein auf weiter Flur

Lesezeit: 4 min

Die Spargelsaison beginnt - doch die Saisonarbeiter aus Osteuropa, die den Bauern im Landkreis bei der Ernte helfen, dürfen wegen der Corona-Pandemie nicht einreisen. Die Landwirte fürchten nun enorme Einbußen.

Von Jacqueline Lang, Dachau

Frühlingszeit ist Spargelzeit. Daran ändert auch das derzeit grassierende Coronavirus nichts - eigentlich. Denn nachdem Deutschland und viele andere Länder innerhalb der EU die Grenzen dicht gemacht haben, kommen nun auch die Saisonarbeiter, die für gewöhnlich bei der Ernte helfen, nicht mehr ins Land - und damit auch nicht auf die Felder. Die Spargelbauern im Landkreis Dachau stellt das vor eine außerordentliche Herausforderung.

Normalerweise kommen Anfang April etwa 25 Erntehelfer zu Manfred Wolf auf den Hof, die meisten aus Rumänien, manche aus Polen. Dann beginnt die Spargelernte. Ende April geht es dann für gewöhnlich mit den Erdbeeren weiter, für die weitere 15 Arbeiter kommen. Jetzt gerade aber weiß der Pfaffenhofener Landwirt noch nicht, wo er auf die Schnelle so viele neue Saisonarbeiter herbekommen soll. Fünf, die bei den Vorbereitungen geholfen haben, sind zwar schon da, aber der Rest hängt an der Grenze fest oder hat abgesagt. Das Einreiseverbot gilt nach derzeitigem Stand für Saisonarbeiter aus Drittstaaten, aus Großbritannien, für EU-Staaten wie Bulgarien und Rumänien, die nicht alle Schengenregeln vollumfänglich anwenden, sowie für Staaten wie Österreich, zu denen Binnengrenzkontrollen vorübergehend wieder eingeführt worden sind. Wie mit Saisonkräften aus Polen und Tschechien verfahren werden soll, ist indes noch nicht abschließend geklärt. Nach zwei Monaten soll die Regelung, die knapp 300 000 Saisonarbeiter betrifft, erneut überprüft werden.

Hoffnung gibt es trotz ausbleibender Erntehelfer aus dem Ausland für Wolf aber dennoch: Fünf Männer, die eigentlich als Veranstaltungsmechaniker arbeiten und ohne Aufträge dastehen, hat ihm ein Bekannter vermittelt, einer seiner festangestellten Mitarbeiter kennt zwei Studenten, die gerade nichts zu tun haben und helfen wollen. Teilweise melden sich sogar Fremde, die ihre Hilfe anbieten. Die Ernte ist aber nicht sein einziges Problem. "Wir vermarkten einen nicht unerheblichen Teil an gastronomische Betriebe." Ob die bis zur Ernte wieder geöffnet haben werden, kann derzeit niemand sagen. "Da müsste man jetzt in eine Glaskugeln schauen können", so Wolf. Im Notfall, der derzeit durchaus wahrscheinlich ist, werde er einige der Felder wohl frühzeitig stilllegen müssen. Genau lasse sich das Ausmaß jetzt noch nicht absehen, aber Wolf ist sicher: "Wirtschaftlich wird das ein fatales Jahr."

Seine Existenz sieht der Spargelbauer zwar trotz der Krise derzeit nicht bedroht, aber er wünscht sich mehr Planungssicherheit. Deshalb hat er sich hilfesuchend an Katrin Staffler (CSU) gewandt, die für den Wahlkreis Fürstenfeldbruck/Dachau im Bundestag sitzt. "Ich sehe die Problematik", sagt Staffler. Aber der Schutz der Bevölkerung stehe in dieser Situation an erster Stelle. Deshalb sei es nur konsequent, dass die Saisonarbeiter nicht mehr, wie noch Anfang der Woche, per Flugzeug einreisen, und ausländische Arbeiter nur mehr mit einer Pendlerbescheinigung einreisen dürfen. Auch wenn das viele Bauern vor ein Problem stelle, weil Saisonarbeiter nicht unter die Pendlerregelung fallen, lasse sich mit dieser Entscheidung doch zumindest jetzt besser planen, meint sie.

Positiv bewertet Staffler die hohe Hilfsbereitschaft, die durch die Registrierungszahlen auf Vermittlungsplattformen wie jener vom Landwirtschaftsministerium sichtbar werde - mehr als 15 000 potenzielle Helfer hätten sich dort bereits registriert. Darüber hinaus versuche man für Entlastung zu sorgen. So gebe es etwa Ausnahmeregelungen dafür, wie lange einzelne Helfer, die bereits in Deutschland sind, bleiben dürfen, und auch die Arbeitszeitenregelungen sei gelockert worden: Mit der Ausweitung dürfen Saisonarbeitskräfte nun bis Ende Oktober sozialversicherungsfrei eine kurzfristige Beschäftigung für bis zu 115 Tage ausführen. Bislang war dies nur für bis zu 70 Tage möglich. Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner (CDU) zieht sogar in Erwägung, Asylsuchende, die eigentlich ein Arbeitsverbot haben, auf Wunsch in der Landwirtschaft einzusetzen.

Die Saisonarbeiter, die für gewöhnlich auf seinem Hof arbeiten, würden allesamt aus Polen und zumindest derzeit noch ohne größere Probleme über die Grenze kommen, sagt Christian Heitmeier. Gerade jetzt seien fünf auf dem Weg, gebraucht würden um die 50. Allerdings, so der Spargelbauer, kämen nahezu stündlich neue Infos per Mail - die Lage könnte also schon in wenigen Minuten eine ganze andere sein. Auch bei ihm haben sich in der Zwischenzeit schon heimische Helfer gemeldet. "Ich hätte allein gestern 100 Leute einstellen können", sagt er. Noch baut er zwar auf seine Helfer aus Osteuropa - die Anfragen aus Deutschland sammelt er vorsichtshalber trotzdem schon einmal.

Die Einzel- und Großhändler, mit denen er zusammenarbeite, hätten ihm versichert, dass sie keine Einbußen erwarten. Ob die Leute nach der Krise noch Geld haben für Spargel? Das kann Heitmeier nur hoffen. "Wir leben von Spargel, Erdbeeren und Himbeeren." Ein Ausfall von nur einer Woche sei daher für Bauern, die wie er saisonale Sonderkulturen anbauen, vergleichbar mit dem, was für andere Betriebe der Ausfall von einem Monat bedeute. Da gehe es schnell "ans Eingemachte". Gleichwohl bleibt der Bauer optimistisch: "Irgendwie geht es immer weiter."

Weit weniger zuversichtlich ist Traudi Reischl. Aufgrund der verhängten Einreisesperre können ihre rumänischen Saisonarbeiter nun nicht wie geplant kommen. Dadurch komme es zu "großen Engpässen", sagt sie. Zwischenzeitlich hat sich die Spargelbäuerin aus Röhrmoos mit ihrem Betrieb deshalb auf der Vermittlungsplattform "Das Land hilft" angemeldet. Und auch wenn es schon Rückmeldungen gegeben habe, überlegt Reischl, den Boden teilweise gar nicht aufzufräsen. Gleichzeitig hofft sie, dass sich die Politik doch noch besinnt. "Die sollen die Grenzen für die Durchreise der Saisonarbeiter wieder aufmachen, mehr wollen wir gar nicht." Sie fürchtet, dass wenn jetzt die Arbeiter nicht ins Land gelassen werden, später auch die Versorgung nicht mehr gewährleistet sein wird. "Jetzt wird der Grundstock für die Zukunft gelegt", so Reischl. Die Grenzen zu öffnen, dass fordert auch die Grünen-Fraktionssprecherin im Kreistag, Marese Hoffmann. Sie fordert Landrat Stefan Löwl (CSU) auf, "seine guten Kontakte zu nutzen" und alles zu tun, "damit Erntehelfer kontrolliert einreisen dürfen". Ohne sie drohten auch im Landkreis Spargel - und später Erdbeeren - auf den Feldern zu verrotten, und andere Gemüsesorten könnten gar nicht erst gepflanzt werden. Es sei ein Problem, dass Deutschland nur noch 36 Prozent des im Land benötigten Gemüses erzeuge und nur 22 Prozent des Obstes. Die Masse komme längst aus anderen EU-Staaten oder Drittländern und setze zusätzlich die noch hier produzierenden Erzeuger unter Druck. "Wir müssen die Lehre aus der momentanen Krise ziehen und uns der regionalen Kreisläufe erinnern, die vor Ort Wertschöpfung generieren", so Hoffmann.

Anton Kreitmair, Bezirkspräsident des oberbayerischen Bauernverbandes, ist sicher, dass "die Nahrungsversorgung zu 100 Prozent gewährleistet ist". Das zeige einmal mehr, wie wichtig regionale Landwirtschaft sei. Für Kreitmair steht deshalb auch fest, dass es nach der Krise ein "Umdenken" seitens der Politik geben muss. Spargelbauern wie Heitmeier, Wolf und Reischl können nur hoffen, dass es dann für sie nicht schon zu spät ist.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4858343
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 27.03.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.