Süddeutsche Zeitung

Abschiebungen:"Zutiefst einschüchternde Praxis"

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SPD-Bundestagsabgeordnete aus Bayern fordern Innenminister Herrmann auf, weniger Geflüchtete abzuschieben - und damit einem geplanten Gesetz im Bund zu folgen. Anlass ist ein Fall aus dem Landkreis Dachau.

In einem Brief an Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) fordern der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Wahlkreis Dachau-Fürstenfeldbruck, Michael Schrodi, und seine Starnberger Kollegin Carmen Wegge, Geflüchtete nicht mehr abzuschieben, die vom geplanten neuen Chancen-Aufenthaltsgesetz der Bundesregierung profitieren könnten. So handhabten dies auch schon Länder wie Rheinland-Pfalz oder Mecklenburg-Vorpommern. Die derzeitige Praxis im Freistaat wirke "zutiefst einschüchternd auf alle Menschen mit unsicherem Aufenthaltsstatus".

In Karlsfeld war vor zwei Wochen die nigerianische Familie Esiovwa mit ihren Kindern mitten in der Nacht aus den Betten geholt und abgeschoben worden. Der Fall hatte im Landkreis Entsetzen ausgelöst, in einer Demonstration vor dem Dachauer Rathaus wurde sogar die Rückführung der Familie gefordert. "Gerade Fälle wie dieser sind für uns vollkommen unverständlich", schreibt Schrodi, "mehr noch, der Vollzug der Abschiebung lässt sich kaum anhand rationaler Kriterien rechtfertigen." Diesen Fall nennt er auch als konkreten Anlass für den Brief an den Innenminister.

Von der neuen Regelung könnten 135 000 Menschen profitieren

Seit 2015 lebte die Familie Esiovwa in Deutschland, in dieser Zeit habe sie "alle Bemühungen zur Integration unternommen", betonen die Verfasser des Briefs. Der Vater war bis zum Erlass eines Arbeitsverbotes Angestellter einer Reinigungsfirma, die jüngste Tochter ist in Dachau geboren, drei Familienmitglieder befanden sich in medizinischer Behandlung. "Leider kommt es trotz anderer Zusagen lokaler Behörden zu solchen Abschiebungen, wie eben nun im Landkreis Dachau", heißt es in dem Schreiben an den Innenminister weiter: "Durch eine entsprechende Weisung oder Aufforderung Ihres Hauses lässt sich der Missstand dieser Abschiebungen beenden."

Für die mehr als 135 000 Menschen in Deutschland, die eine ähnliche "Integrationsgeschichte" wie die Esiovwas haben, arbeite man in Berlin gerade an einer neuen Regelung, um ihnen eine Bleibeperspektive zu geben: Wer seit fünf Jahren in Deutschland geduldet ist, soll eine Aufenthaltserlaubnis für ein Jahr bekommen. In dieser Zeit erhalte er die Chance, alle Anforderungen für einen dauerhaften und sicheren Aufenthalt zu erfüllen: "Die Kettenduldungen werden wir damit beenden." Auch junge, gut integrierte Geflüchtete sollten so schneller die Möglichkeit für einen sicheren Aufenthaltstitel erhalten. "Die bayerischen Behörden sollten deshalb die Neuregelung abwarten, um eine faire und gründliche Beurteilung der neuen Rechtsstellung geduldeter Menschen vorzunehmen."

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