Süddeutsche Zeitung

Hobby-Imker:Ein Teelöffel Honig aus 40 000 Blüten

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Stadtbienen, wie sie auch auf den Pasing-Arcaden angesiedelt sind, produzieren häufig doppelt so viel Honig wie ihre Artgenossinnen auf dem Land. Denn dort lassen Monokulturen sie nicht lange genug Nahrung finden.

Von Ellen Draxel

In den Sommermonaten schaut Jürgen Brandl mindestens einmal pro Woche nach seinen Schützlingen. Der Polizist, beim Landeskriminalamt zuständig für die Datenanalyse im Kontext der Terrorismusbekämpfung, steigt dann auf eines der Flachdächer der Pasing-Arcaden. Er durchquert ein Insekten-Dorado aus Thymian, Schnittlauch, Nelken und Fetthennen-Pflanzen, bevor er es laut summen und brummen hört. Der 40-Jährige ist passionierter Hobby-Imker: Zwei der 15 Bienenvölker, um die er sich kümmert, leben auf dem begrünten Dach des Einkaufscenters nahe dem Pasinger Bahnhof.

"Um diese Jahreszeit haben wir hier etwa 60 000 Tiere, 30 000 in jedem Stock", erklärt Brandl. Er hat den obersten Deckel eines Bienenstocks abgenommen und ein Tuch mit Nelkenöl über die wuselnden Hautflügler gebreitet, um sie zu besänftigen. Vor einigen Wochen, ergänzt er, seien es noch bis zu 140 000 Bienen gewesen - vor der Sommersonnwende werden in jedem Volk täglich rund 2000 Jungbienen geboren. Die frisch aus ihren Waben Geschlüpften kommen aber nicht gleich als Sammlerinnen auf die Welt: Arbeitsbienen müssen während ihrer fünf- bis sechswöchigen Lebensdauer zunächst den Stock reinigen, Waben bauen und die Brut versorgen, bevor sie ihr Zuhause auf der Suche nach Nahrung verlassen dürfen.

Mit dem Stockmeisel zieht Brandl nun einen Rahmen mit wachsverkleisterten Waben und zahlreichen Bienen aus der obersten größeren Holzbox. Er schaut sich die Tiere genau an, untersucht sie nach Schädigungen durch die Varroa-Milbe. Der Schädling gilt als Hauptgrund für das Sterben von Bienenvölkern. Die fleißigen Insekten, die in dem Honigraum sitzen, sehen aber gesund aus und sind noch jung: Der Imker erkennt das am wuscheligen Pelz auf dem Rücken. Später, beim Sammeln, werden die Härchen dann weniger. "Bienen fliegen drei bis fünf Kilometer weit, sammeln Nektar und Pollen und bestäuben dabei auch Nutz- und Wiesenpflanzen", sagt Brandl. Deshalb seien sie so wichtig für die Umwelt und den Erhalt der Artenvielfalt.

Standorte wie der auf den Pasing-Arcaden, betont der Imker, hätten daher Symbolkraft, fungierten als "Impuls zum Schutz aller Insekten". Gerade in der Stadt. Denn Stadtbienen, sagt er, produzierten inzwischen häufig doppelt so viel Honig wie Bienenvölker vom Land: rund 30 Kilogramm des süßen Safts. "Weil sie in der Stadt ganzjährig Blüten vorfinden und keine Monokulturen, die irgendwann abgeblüht oder abgemäht sind." Einen Teelöffel Honig produziert eine Biene in ihrem Leben - und bestäubt während ihrer Sammelphase 40 000 Blüten. Außerdem gilt sie als drittwichtigstes Nutztier in Deutschland, nach Rind und Schwein, da sehr viele Lebensmittel direkt oder indirekt von der erfolgreichen Bestäubungsarbeit der Biene abhängen.

Mittlerweile zeigt der Kippschalter in den Bienenstöcken allerdings schon wieder Richtung Winter, die Bewohnerzahl in den Königinnenreichen nimmt ab. "Die Drohnen sind bereits vertrieben worden", weiß Brandl. Der Hochzeitsflug der Königin hat längst stattgefunden, die männlichen Bienen, deren einziger Lebenszweck die Begattung einer fremden Herrscherin ist, werden nicht mehr gebraucht.

Auch das Landeskriminalamt soll Bienen bekommen

In den kalten Monaten leben in einem Bienenstock dann nur noch zwischen 10 000 und 20 000 Tiere, die bei konstanten Temperaturen - laut dem Hobbyimker selbst bei minus 30 Grad - eigentlich ganz gut überwintern. "Sie haben genug Futter eingelagert und kuscheln eng zusammen." Probleme machen aber die Wetterkapriolen. Mal kalt, mal warm, anschließend wieder kalt - damit kommen die Bienen nicht zurecht. Brandl füttert deshalb maximal zu. Nicht nur bei den Völkern auf den Pasing-Arcaden, auch bei seinen eigenen im Schrebergarten und bei den Bienenstöcken, die auf dem Dach des Polizeipräsidiums stehen und von ihm versorgt werden. Im Frühjahr, verrät der Kriminalrat, soll zudem auch noch das Landeskriminalamt Bienen bekommen.

Die Geschäftsleitung der Pasing-Arcaden jedenfalls ist stolz auf das Bienen-Projekt. "Wir machen das ja nicht aus Jux und Tollerei, sondern weil wir daran interessiert sind, der Natur etwas zurückzugeben", sagt Centermanager Lars Horn. Das Start-Up nearBees aus Freising hat die Bienenpatenschaft vermittelt, für das Überlassen des Standorts und die Unterstützung von Jürgen Brandl erhalten die Arcaden jedes Jahr 40 Kilogramm des wertvollen Honigs. "Den verschenken wir an unsere treuesten Kunden", sagt Horn. "Zum Geburtstag."

Wer Interesse hat, die Bienen auf dem Dach der Pasing Arcaden zu besuchen: Das Centermanagement organisiert kostenlose Führungen. Anmeldungen vor Ort an der Rezeption der Shopping-Mall oder per E-Mail an info@pasing-arcaden.de.

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