Süddeutsche Zeitung

Klage wegen Diskriminierung:Warum ein weißer Mann gegen Diskriminierung klagt

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Ein Anwalt wird bei der Einlasskontrolle zu einer Party in München wegen seines Alters abgewiesen - das will er sich nicht gefallen lassen. Für sein Recht auf Feiern ist er vor den Bundesgerichtshof gezogen.

Von Wolfgang Janisch, Karlsruhe

Natürlich ist "Diskriminierung" auch ein Kampfbegriff. Man konnte es dieser Tage beobachten, als vor angeblichen Privilegien für Geimpfte etwa beim Gang ins Kino gewarnt wurde, weil das irgendwie diskriminierend für den nicht immunisierten Teil der Bevölkerung sei. Das ist zwar Unsinn ("Grundrechte sind keine Privilegien"), zeigt aber, wie die Reflexe funktionieren.

Im Kern beschreibt "Diskriminierung" aber die Perspektive derer, die ihren Platz in der selbstzufriedenen Normalität der Mehrheitsgesellschaft erst noch behaupten müssen. Menschen, die ständig kontrolliert werden, weil ihre Haut dunkel ist. Die schlechter bezahlt werden, weil sie weiblich sind. Die queer sind oder fremd klingende Namen haben. Insofern wirkt es überraschend, dass an diesem Donnerstag ein mittelalter weißer Mann vor dem Bundesgerichtshof (BGH) gegen seine Diskriminierung vorgeht.

Wobei: Der Kläger, ein Anwalt, klagt seit Jahren auf Schadenersatz wegen Benachteiligung aller Art; irgendwann musste er auch beim BGH aufschlagen. Und vielleicht bewegt sein aktuelles Problem ja auch andere mittelalte Männer.

Es war im August 2017, 44 Jahre war er damals und wollte zum "Isarrauschen" auf die Praterinsel in München. 30 DJs sollten 1500 Besucher bis zum Morgen zum Tanzen bringen. Und weil junge Leute am liebsten mit jungen Leuten feiern, hatte der Geschäftsführer, 39, Anweisung gegeben, Gäste eines "älteren Semesters" abzuweisen. Zielgruppe waren die 18-bis 28-Jährigen, aber eine strikte Altersgrenze gab es nicht. Der Türsteher schaute den Mann an, fand ihn zu alt und schickte ihn weg. Niemand hört so etwas gern.

Bislang hängt der BGH die unternehmerische Freiheit recht hoch

Der Fall führt mitten ins Allgemeine Gleichstellungsgesetz von 2006. Das war damals ein beherzter Versuch, einen Damm gegen alltägliche Diskriminierung zu errichten, ohne den Veranstaltern und Dienstleistern jede Freiheit zu nehmen. Benachteiligungen wegen des Geschlechts sind zum Beispiel verboten, Unterschiede aus nachvollziehbaren Gründen aber erlaubt - deshalb gibt es Frauenparkplätze und Frauenschwimmen. Einem schwulen Paar die Anmietung einer Hochzeitsvilla zu verweigern, die sonst allen Heiratswilligen zur Verfügung steht, war laut Amtsgericht Köln dagegen eine Diskriminierung wegen der sexuellen Identität.

Die grobe Linie lautet: Wer für alle öffnet, ob im Supermarkt oder im Fußballstadion, der darf Einzelnen nicht grundlos den Zutritt verweigern. Erlaubt ist es dagegen, von vornherein Zielgruppen anzusprechen und an der Pforte entsprechend zu sortieren - bei Ü-30-Partys oder beim Tanztee zum Beispiel. Der BGH hängt diese unternehmerische Freiheit bisher ziemlich hoch.

2012 fand er ein Hausverbot im Wellnesshotel für den Ex-NPD-Chef Udo Voigt prinzipiell nachvollziehbar, weil ein Rechtsextremer nicht ins Wohlfühlkonzept passe. Vergangenes Jahr ging er einen Schritt weiter: Ein Wellnesshotel durfte Gäste unter 16 ausschließen - wegen der ruhebedürftigen Zielgruppe.

Für den mittelalten Karlsruher Kläger könnte das bedeuten: Wenn Jüngere draußen bleiben müssen, wo die Älteren sind - dann wird das wohl auch umgekehrt funktionieren.

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