Süddeutsche Zeitung

Backstage:Unpassende Buhrufe beim Antisemitismus-Benefizkonzert

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Als Stadtrat Marian Offmann beim Festival von seiner Erinnerung an eine jüngst verstorbene Auschwitz-Überlebende erzählen will, grölen einige dazwischen. Warum? Offenbar, weil er CSU-Mitglied ist.

Von Dirk Wagner

Irritiert steht Marian Offman auf der Bühne des Backstage. Er fragt nach, kann den Protest nicht verstehen. "Hau ab!", ruft jemand. Andere grölen bestätigend. Wieder andere schweigen. Bei einem Benefiz-Festival gegen Antisemitismus hatte Offman, Mitglied im Vorstand der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, von seinen Erinnerung an eine jüngst verstorbene Auschwitz-Überlebende erzählen wollen. Doch geschockt und traurig bricht er seine Rede ab. Er eilt in den Zuschauerraum, versucht einen der Pöbler auszumachen. "Warum haben Sie das gemacht?", fragt er.

Die Antwort ist so simpel wie ernüchternd. Der Stadtrat hatte sich als Politiker der CSU vorgestellt. "Aber abschieben!", hatten daraufhin einige im Publikum gepöbelt: Sie warfen Offman die Flüchtlingspolitik seiner Partei vor. Als hätte er durch die CSU-Mitgliedschaft das Recht verwirkt, für eine bessere Welt zu kämpfen.

Das Linke Bündnis gegen Antisemitismus München hatte das Backstage auf rechtsradikale Rockbands im Programm hingewiesen, und die Bühne hatte daraufhin ein für den Abend des 1. Mai geplantes Konzert abgesagt. Eilig wurde stattdessen ein "Bash Against Antisemitism" organisiert. Musiker und Poetry Slammer nutzten die frei gewordene Bühne für ein politisches Statement.

Das eigentlich geplante Doppelkonzert war im Vorverkauf sehr gut gelaufen. Ob das Backstage wegen Vertragsbruch belangt wird, bleibt abzuwarten. Doch die Absage bedeutet auch so große Einbußen. Spätestens beim Auftritt des Münchner Kneipenchors schienen mehr Menschen auf als vor der Bühne zu stehen. Mit einem zweitägigen Vorlauf war das Festival einfach zu kurzfristig anberaumt gewesen. Umso mehr lobte daher der bayerische Antisemitismus-Beauftragte Ludwig Spaenle in seiner Ansprache, dass man sich hier trotz des finanziellen Verlusts deutlich gegen Antisemitismus stellt.

Diesem Lob hätte sich sicher auch der CSU-Stadtrat Offman gerne angeschlossen. Doch dazu kam es nicht mehr. Immer wieder hat Offman sich innerhalb seiner Partei für die Interessen der Flüchtlinge eingesetzt. Zudem äußerte er sich dazu auch wiederholt als Journalist. Etwa in der Jüdischen Allgemeinen, wo seine sehr behutsam formulierten Argumente auch noch die respektvolle Auseinandersetzung mit Andersdenkenden lehren. Einen solchen Mann auszubuhen, noch dazu an einem solchen Abend? Die Buhenden wähnten sich im Recht. Immerhin, der Angesprochene entschuldigte sich nach dem Gespräch peinlich berührt.

Bald darauf verlässt Offman die Veranstaltung. Er bekommt nicht mehr mit, wie später die Band Dankeschatz erklärt: "Wir haben nach diesem Skandal überlegt, ob wir hier überhaupt noch auftreten wollen. Nachdem wir aber davon überzeugt sind, dass die meisten Anwesenden und die Veranstalter sich gegen jede Form von Antisemitismus stellen, haben wir uns entschlossen, trotzdem zu spielen." Und dann überzeugten sie auch musikalisch auf der großen Bühne im Backstage.

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Quelle:
SZ vom 04.05.2019
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