Süddeutsche Zeitung

Architektur:Gunter Henn gehört zu den exotischeren Vertretern seines Faches

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Denn der potenzielle Architekt für den Gasteig-Umbau ist sehr geduldig - und er besitzt die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Teamarbeit. Eine Ausnahme unter den vermeintlichen Popstars der Szene.

Von Gerhard Matzig

Als Gunter Henn erfuhr, dass er nun leider doch nicht sicher mit den 50 Millionen Euro als Honorar für den Umbau des Kulturzentrums Gasteig in München rechnen könne, reagierte der 71-jährige Architekt nicht unbedingt so, wie man das von einem namhaften Baukünstler erwarten würde. Weder warf er seinen Bauherren, den Stadtpolitikern und dem Management von Europas größtem Kulturzentrum, die letztlich verantwortlich sein dürften für das aktuelle Fiasko in Sachen Gasteig-Sanierung, einen Aschenbecher an den Kopf. Wie das einmal Richard Meier mit seiner Bauherrin, die zugleich seine Mutter war, getan hatte. Noch bezeichnete Henn die Verantwortlichen abfällig als "Kinder, die man nicht ernst nehmen darf", wie einmal Mies van der Rohe.

Henn sagte: "Wir werden das Ergebnis akzeptieren - auch wenn wir nun doch nicht zum Zuge kommen sollten." Er nannte die possenhaften Vorgänge rund um die anstehende Sanierung "ärgerlich", aber ansonsten zeigte sich Henn so, wie er ist: besonnen, konstruktiv und souverän. Er ist einer der letzten weltweit anerkannten Architekten, die man mit dem herrlich altmodischen Begriff "Gentleman" beschreiben kann.

Übrigens ist gar nicht sicher, welches Honorar dem Münchner Architekturbüro Henn zugekommen wäre für die geschätzt eine halbe Milliarde Euro teure Generalsanierung des Gasteig, die eigentlich nächstes Jahr in Angriff zu nehmen ist. Es ist nur eine grobe Faustformel, dass Architekten nach der Honorarordnung etwa mit zehn Prozent der Baukosten zu entlohnen sind. Sicher ist, dass in München nach einem Spruch der zuständigen Vergabekammer der Architektenwettbewerb um den Umbau des Kulturzentrums an der Isar teilweise neu durchgeführt werden muss. Zuvor hatte ein Wettbewerb drei gleichrangige erste Preise ergeben. Sie gingen an die Büros Auer Weber Assoziierte, Wulf Architekten und Henn. Weil der endgültige Zuschlag für das Büro von Gunter Henn aber höchst fehlerhaft, ja dilettantisch zustande kam, muss nun abermals unter den drei Büros nach einem endgültigen Sieger gesucht werden.

Den Gasteig-Umbau wirft das terminlich und finanziell zurück - und einer der großen Verlierer dieser Farce könnte am Ende Henn sein. Allerdings gibt es auch die Möglichkeit, dass sein bemerkenswerter Entwurf irgendwann doch noch realisiert wird. Bis dahin wird das Büro Henn, das in Berlin und Peking Dependancen unterhält, ungefähr 350 Mitarbeiter aus 30 Nationen beschäftigt und damit zu den großen Playern im Architekturgeschäft zählt, vorausschauend eher nicht mit dem gewiss auch für große Player interessanten Gasteig-Honorar rechnen.

Allerdings hat Henns Büro ohnehin noch ein paar andere Baustellen. Gunter Henn, Sohn eines der wichtigsten Architekten der Nachkriegsmoderne, des Industriebaupioniers Walter Henn, gehört zu den exotischeren Vertretern seines Faches: Er besitzt die Fähigkeit zur Kommunikation und zur Teamarbeit. In Zeiten von "Signature Buildings" und Architekten im Popstar-Format sind am Bau oft auch eitle Selbstdarstellung und eine besondere Form des gestaltenden Autismus beheimatet. Hier bildet Henns Kommunikationstalent eine wohltuende Ausnahme.

In aller Welt bekannt wurde er mit einer Reihe von Kultur- und Bildungsbauten sowie mit seherisch in die Zukunft entwickelten Arbeitswelten und Büro-Bauten. Vor allem die "Gläserne Manufaktur" in Dresden, einer von drei Volkswagen-Standorten in Sachsen, dürfte dem in Dresden geborenen Henn am Herzen liegen. Als er sie vor 18 Jahren präsentierte, sagte er: "Es ist schön, wenn man einer Stadt etwas zurückgeben kann." In ähnlichem Ton merkte Henn zum Gasteig-Umbau einmal an, man müsse dem Bau und seiner Geschichte "mit Respekt" begegnen. Respekt dem Tun der Architekten gegenüber - das wäre auch der Stadt München zu empfehlen.

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SZ vom 24.01.2019
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