Schwerer Rückschlag für den Gasteig bei den Bemühungen um die Generalsanierung des Kulturzentrums: Die Entscheidung, das Münchner Architekturbüro Henn mit der Planung zu beauftragen, ist aufgehoben - das hat die Vergabekammer Südbayern beschlossen. Das Verfahren ist "in den Stand nach Beendigung" des Architektenwettbewerbs "zurückzuversetzen", wie es in einer Mitteilung der Regierung von Oberbayern heißt, ihr ist die Vergabekammer zugeordnet. Auch sei "das Verhandlungsverfahren unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung der Vergabekammer zu wiederholen".
Die Gasteig-Sanierung ist das größte Kultur-Bauprojekt der Stadt der kommenden Jahre, die Kosten werden bislang auf knapp eine halbe Milliarde Euro geschätzt. Aus dem Wettbewerb dafür waren drei Architekturbüros als gleichberechtigte Sieger hervorgegangen. In dem daran angeschlossenen, nun für fehlerhaft erklärten Vergabeverfahren hatte sich die städtische Gasteig GmbH für das Büro Henn entschieden, der Stadtrat folgte dem Vorschlag. Die Vergabekammer gab mit ihrer Entscheidung zwei Architekturbüros, die unterlegen waren, "weitgehend recht", wie es in der Mitteilung heißt. Zu den Gründen für die Entscheidung macht die Kammer keine Angaben, da es sich um ein nichtöffentliches Verfahren handele.
Die große Bühne: Der Entwurf von Auer und Weber setzt darauf, den bisher wie eine Bastion konzipierten Gasteig wie eine Bühne zur Stadt hin zu öffnen. Die Rosenheimer Straße würde zum Entree. Entwürfe: Auer Weber, Henn, Wulf Architekten
Bänder aus Glas: Die Architekten des Büros Henn ziehen in die Fassade zwei horizontale Bänder. Das untere ist drei Stockwerke hoch und soll als "Kulturbühne" Philharmonie mit Bibliothek verbinden.
Die Krönung: Der Vorschlag des Büros Wulf würde die transparenteste Lösung schaffen. Er greift mit vertikalen Schnitten in die gesamte Fassade zur Isar hin ein und setzt dem Gasteig eine Krone auf.
Gasteig-Chef Max Wagner zeigte sich am Montag "überrascht". Die Rechtsberater seines Hauses hätten bis zum Schluss signalisiert, dass die Chancen gut stünden. Der neue Chef des Aufsichtsrats, Bürgermeister Manuel Pretzl (CSU), will nun als erstes wissen, wie es zu solch einer Fehleinschätzung kommen konnte: Um das von den Experten zu erfahren, werde er "zeitnah eine Sondersitzung des Aufsichtsrates einberufen". Erst dann werde über weitere Schritte entschieden. Wagner kündigt aber bereits an, sich der Entscheidung fügen und auf den möglichen Gang vor das Oberlandesgericht verzichten zu wollen. "Wir werden das Verfahren wiederholen." Die zeitliche Verzögerung von vier bis sechs Monaten sei bitter, aber bei einer auf sieben Jahre angesetzten Sanierung sei das aufzuholen. Mit finanziellen Auswirkungen rechnet Wagner derzeit nicht.
Obwohl der Gasteig "ein sehr großes Aufgebot an renommierten Experten und Preisrichtern in den Vergabeprozess integriert" habe und jeder Schritt "intensiv juristisch begleitet wurde", wie Wagner sagt, befindet sich das Verfahren nun auf dem Stand vom 18. Mai 2018. Damals hatte das Preisgericht drei Büros zu Siegern erklärt. Als ein entscheidender rechtlicher Fehler erwies sich nun, dass diese Architekten namentlich genannt wurden. Damit endete offiziell der Wettbewerb und es begann ein neues Verfahren; doch der Gasteig und seine Expertenkommission verfuhren weiterhin, als ob sie noch im Wettbewerb wären.
Sie kürten das Büro Henn zum Sieger, ohne zuvor handfeste Kriterien wie den Preis oder die Erfahrung mit Großprojekten festgelegt und ihren Beschluss dahingehend dokumentiert zu haben. Dort steigt der Gasteig nun ein. "Wir werden jetzt genau prüfen, unter welchen Kriterien aus den drei Gewinnern eine rechtssichere Entscheidung getroffen werden kann", sagt Wagner. Die drei Büros werden dann Post erhalten mit einer sogenannten Angebotsaufforderung. Darin werden jene Kriterien definiert sein, nach denen im zweiten Anlauf die Entscheidung fallen soll.
"Wir sind nach wie vor heiß und hoffen, dass es jetzt mit rechten Dingen zugeht"
Die unterlegenen Büros fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. "Wir haben in der mündlichen Verhandlung vor der Vergabekammer darauf hingewiesen, dass die Bewertungsmaßstäbe im Vergabeverfahren intransparent und teils unfair waren", sagt Stephan Suxdorf, Geschäftsführer des Büros Auer und Weber. Auch der Stuttgarter Architekt Tobias Wulf rügte die intransparenten Kriterien und sieht nun wieder Chancen. "Wir sind nach wie vor heiß und hoffen, dass es jetzt mit rechten Dingen zugeht." Gunter Henn, Chef des siegreichen Büros, nennt die Aufhebung des Verfahrens "ärgerlich", er sei aber weiter optimistisch. "Wir werden das Ergebnis akzeptieren - auch wenn wir nicht zum Zuge kommen sollten."
Auer und Weber sowie das Team von Wulf hatten wie ihr Konkurrent Henn-Architekten ihre Entwürfe nach dem Wettbewerb nochmals überarbeitet. Kurz bevor ein Expertengremium und der Stadtrat den Sieger benennen sollten, geriet das Verfahren in die Schlagzeilen. Die SPD machte öffentlich, dass sie Probleme wegen ungeklärter Urheberrechte mit den Architekten aus der Bauzeit befürchte. In der Folge erklärte Eike Rollenhagen, einer der damals beauftragten Architekten, dass aus seiner Sicht nur der Henn-Entwurf akzeptabel sei. Dieser bekam dann auch den Zuschlag. Auch diese Vorfälle hatten Auer und Wulf gerügt. Zudem wähnten sie das Büro Henn im Vorteil, weil es bereits mit Voruntersuchungen beauftragt worden war.
Allerdings spielten diese Aspekte bei der Entscheidung der Kammer offenbar kaum eine Rolle. Der Gasteig hatte schon vor der endgültigen Kür von Henn Architekten betont, dass die Urheberrechte erst eingebracht werden könnten, wenn der Sieger feststehe. Dennoch hatte es Aufsehen erregt, dass sich die Gasteig-Experten und der Stadtrat just für jenen Entwurf entschieden hatten, den einer dieser Rechteinhaber eindeutig präferiert hatte. "Wir glauben, dass der Auslober sich verbindlich mit den Urhebern einigen muss, dass sie mit allen Entwürfen leben können und davon Abstand nehmen, ihre Ansprüche geltend zu machen", sagt Auer-und-Weber-Geschäftsführer Suxdorf. Diese Problematik will der Gasteig aber erst nach der verbindlichen Wahl des Büros angehen, dies sei rechtlich nicht anders möglich, so Gasteig-Chef Wagner. Das könnte jedoch den Zeitplan weiter strapazieren.