Süddeutsche Zeitung

Cover-Show:In der Ursuppe des Pop

Lesezeit: 4 min

"Abbamania", die größte Tribute-Show ihrer Art, kommt in die Münchner Olympiahalle - mit dabei: Gitarrist Janne Schaffer, der den schwedischen Super-Sound mitprägte.

Von Michael Zirnstein

Obwohl er immer noch ab und an mit seinen alten Musikerkollegen, vor allem Björn Ulvaeus, plauderte, war Janne Schaffer doch überrascht: Der Gitarrist wusste, dass Abba sich auf ihre alten Tage wieder gelegentlich im Studio trafen, aber dass sie 2021 gleich ein ganzes Album herausbringen würden, das ahnte er nicht. Gerüchteweise hatte die schwedische Band ein paar Jahre zuvor das Angebot einer Plattenfirma über eine Milliarde Dollar ausgeschlagen. Die Rückkehr der Pop-Legenden schien also noch weit unwahrscheinlicher als aktuell der Sieg eines deutschen Teilnehmers beim Eurovision Song Contest, den Abba bekanntlich 1974 mit "Waterloo" im Handstreich gewonnen hatten.

Übrigens mit Hilfe von Janne Schaffer, der nicht nur im Studio den Vorschlag für das riffig rockende Intro gemacht hatte (Benny Andersson: "Gut, lassen wir so."), sondern im schwedischen Vorentscheid auch Gitarre gespielt hatte; beim Triumph in Brighton kam dann alles vom Band. Und schon 1973 war er - er hatte gerade selbst ein Nummer-1-Album mit "1973" - beim ersten ESC-Versuch Abbas mit "Ring Ring" dabei gewesen. Da wurden sie bei der Qualifikation daheim Zweite "und waren sehr enttäuscht", erinnert sich Schaffer, "die Erwartungen waren schon hoch gewesen".

Die Wiederkehr der schwedischen Superstars jedenfalls erfüllte höchste Erwartungen der Fans: Zu den bisher verkauften 400 Millionen Tonträgern kamen durch "Voyage" noch einige hinzu, das durchaus geglückte Alterswerk nach 40 Jahren Pause landete natürlich in etlichen Ländern auf Platz Eins. Janne Schaffer schätzt die Weiterentwicklung bei den Kompositionen, und ist "beeindruckt von den Frauenstimmen"; vor allem die von Agnetha, deren Solo-Album er einst produziert hatte, hält er für "eine der besten der Welt": "Sie singt einfach gerne." Nur auf die Konzertbühne wollen die vier nicht mehr. Dafür ließen sich Agnetha Fältskog, Björn Ulvaeus, Benny Andersson und Anni-Frid Lyngstad jugendlich-unsterbliche Ebenbilder programmieren, die nun für sie als Hologramme in der muldimedial gigantischen Playback-Spektakel in London die Pixel-Körper hinhalten.

Janne Schaffer hat sich das neulich angeschaut, ist als Profi nach 53 Jahren im Geschäft durchaus beeindruckt: "Das ist so nah dran an Abba, wie's geht." Aber: "Ich höre doch lieber Live-Musik." So geht es anderen auch, und deswegen ist die Nachfrage nach Abba-Cover-Konzerten gerade durch die Eigen-Reanimation neu entfacht. "Abbamania" nennt sich selbst "die ultimative größe Abba-Show", und das durchaus zurecht: Mit Mammut-Ensemble und Technik-Gebirge geht es in die größten Arenen, wie nun wieder in die Münchner Olympiahalle. Die Stockholmerinnen Katja Nord und Camilla Dahlin (die schon als Mädchen in einem Abba-Video auftauchte) erfanden die Tribute-Show 1996.

Sie schmissen sich so lange in Kimono-Kostüme und Plateauschuhe (länger als Abba selbst), dass sie selbst Stars wurden. Jetzt haben die Gründerinnen sich aus der Produktion zurückgezogen und überlassen jüngeren die Bühne: den Musical- und Show-Sängerinnen Kerstin Löcker aus Österreich und Maria Kristina Nissen aus Nordfriesland. Auch Band und Orchester hat der musikalische Leiter und Dirigent Hauke Wendt frisch bestückt. Auch für Wendt war "Voyage" ein "Gamechanger". Das letzte Abba-Werk stamme nun eben nicht mehr von 1980, sondern von 2021, jetzt müsse man "I Still have faith in you", "Shut me down" und vielleicht einen dritten neuen nicht nur musikalisch, sondern auch dramaturgisch einbinden in die Zeitreise, die nicht mehr nur rückwärts, sondern auch in die Zukunft geht.

"Abbamania" punktet stets mit seiner Nähe zum Original und seinen Originalen: So gewann man meist Kostümbildner, Fotografen und Musiker von einst. Diesmal ist Janne Schaffer dabei. Björn Ulvaeus spielte meist nur Akustik-Gitarre, ist also bei Abba eine Strom-Gitarre zu hören, war es sehr oft die von Schaffer, etwa bei "Mama Mia", bei "Voulez vous", auch die Electric-Sithar bei "I have a dream" hat er eingespielt.

Schaffer war mehr als ein Sessionmusiker. Er half Abba, schon als die Folk-Musiker Björn und Benny an einem ganz neuen Pop-Sound herumprobierten, im Studio dabei, den Abba-Klang zu finden. "Ich war beim Anfang von allem dabei. Aber kein Schwede mochte Abba damals", erinnert er sich, "die waren ihnen zu kommerziell". Er, der Jazzrocker selbst, galt als "edgy", kantig, auch deswegen holten sie ihn. Als er sie 1974 in "King Kong" zu einem rockigerem Sound überredete, da hätten sie zumindest gemerkt, "dass sie keine Rock'n'Roll-Band werden wollen", scherzt Schaffer.

Ab dem dritten Album "S.O.S" wussten die vier eh genau, wohin sie wollten. Schaffer half noch gern im Studio, machte einen Ausflug zur TV-Show "Am laufenden Band" von Rudi Carrell 1977 in Bremen mit, konzentrierte sich aber ansonsten auf seine eigene Karriere. "Abba haben 54 Songs, ich 5000", sagt der 78-Jährige.

Schaffer war schon 1970 in der Film-Kommune dabei, als der US-Soul-Sänger Johnny Nash für das Liebes-Drama-Experiment "Vill sa gärna tro" nach Stockholm kam und nicht nur "diese neue Musik" mitbrachte, sondern gleich Bob Marley. Schaffer spielte zweimal auf dem Jazz-Festival in Montreux, arbeitete mit Tina Turner, Lee Hazlewood, Nancy Ninatra und Jeff Beck (live, bis der Johnny Depp holte), auch Junge wie Mando Diao lieben ihn, Christina Aguilera nahm seine alte Nummer "Sick of Sittin'" auf ihr Album, er wird mit einem Rock-Bier geehrt, und jeder Schwede ist mit seiner Kindermusiktruppe The Electric Banana Band großgeworden, wo er in wild gemusterten Jackets auch optisch näher an Abba heranrückt.

Kurz: Janne Schaffer ist eine schwedische Legende. Bei dem Status hat Hauke Wendt in "Abbamania" nicht nur seinen Lieblingssong ins Programm genommen, das epische "Eagle", sondern er lässt ihn in seinem Feature-Block auch zwei eigene Songs spielen. Musik aus Schweden muss nicht immer Abba sein.

Abbamania - The Show, So., 24. April, 20 Uhr, München, Olympiahalle

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5776476
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.