Süddeutsche Zeitung

SPD:Scheitern ist möglich

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Das Ergebnis der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt ist für die Sozialdemokraten desaströs. Ihre einzige Hoffnung ist nun ihr Kanzlerkandidat Olaf Scholz - der aber flüchtet sich in Zukunftsvisionen, anstatt konkrete Aussagen zum Hier und Jetzt zu treffen.

Kommentar von Mike Szymanski

Es war Katja Pähle, die Spitzenkandidatin der SPD bei der Wahl in Sachsen-Anhalt, die erkannt hat, wie folgenschwer die Niederlage ihrer Partei ist. "Wirklich furchtbar" nannte sie die desaströsen 8,4 Prozent für die Sozialdemokratie vom Wahlsonntag. Und tatsächlich, so ist es: Wieder ist die Partei, die tapfer beansprucht, Volkspartei zu sein, dabei, sich in einem Bundesland beinahe aufzulösen.

Sachsen-Anhalt: 8,4 Prozent, Thüringen: 8,2 Prozent, Sachsen: 7,7 Prozent, Bayern: 9,7 Prozent. In der Berliner Parteizentrale verschließt man die Augen davor. Das Argument, hinter vorgehaltener Hand, lautet: In Sachsen-Anhalt sei für die SPD ohnehin nicht viel zu holen gewesen; 10,6 Prozent waren es 2016.

Es ist erschreckend, mit welcher Hilflosigkeit die Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans, aber auch Kanzlerkandidat Olaf Scholz zuschauen, wie immer weniger von ihrer Partei übrig bleibt. Es sind einzig die Regierungsbeteiligungen, die die SPD bei einstelligen Ergebnissen im Osten noch am Leben erhalten.

Zu denken geben muss der Führung, dass die Kampagne von Scholz zur Bundestagswahl in Sachsen-Anhalt offenkundig nicht verfangen hat. Die SPD im Bund wirbt mit dem Slogan "Soziale Politik für Dich". Auf die Frage, welcher Partei die Bürger am ehesten zutrauen, für soziale Gerechtigkeit zu sorgen, kam die SPD in Sachsen-Anhalt auf nur noch 17 Prozent, neun Punkte weniger als 2016. Sie landete sogar noch hinter der CDU und den Linken auf dem dritten Platz.

Die Chance von Olaf Scholz: Seine grüne Gegenspielerin hat noch nie regiert

Scholz hat den Wahlkampf seiner Partei mit einer Erzählung darüber aufgeladen, wie die SPD das Land durch dieses Jahrzehnt steuern will. Er will den Umbau zum klimaneutralen Wirtschaften vorantreiben, er will, dass mehr Respekt im Umgang miteinander die Gesellschaft prägt. Er spricht von "Zukunftsmissionen". Wie es aussieht, sind den Leuten aber die Probleme im Hier und Jetzt wichtiger und die Versprechen der Partei zu wolkig.

Die Partei muss im Wahlkampf in der verbleibenden Zeit dringend konkreter werden. Der große theoretische Überbau allein genügt nicht: Wie am Beispiel des Mindestlohns von mindestens zwölf Euro, den die Partei im ersten Jahr nach der Wahl einführen will, muss sie in den verbleibenden Monaten greifbar machen, was es mit ihr geben wird. Außerdem sollte die Partei aufhören, die Arbeit der großen Koalition als ungenügend schlechtzureden.

Klar, es ist Wahlkampf. Aber sich daran abzuarbeiten, was mit der Union nicht geht, verdeckt, was die SPD in dem Bündnis dann doch erreicht hat. Das ist nicht wenig, man denke nur einmal an die Grundrente für Geringverdiener.

Auf Scholz als Kanzlerkandidaten hat sich die Partei eingelassen, daran lässt sich nicht mehr rütteln. Seine Zugkraft erweist sich als begrenzt. Damit muss die Partei leben. Seine Chance liegt allein darin, dass die Wähler am Ende das Kanzleramt lieber in seinen Händen sähen als in denen von Annalena Baerbock von den Grünen, der die Regierungserfahrung fehlt. Unionskandidat Armin Laschet hat selbst um Rückhalt in seinem Lager zu kämpfen. Sachsen-Anhalt hat der SPD jedenfalls einen Dämpfer versetzt. Scholz hat recht, wenn er trotzdem versichert, das Rennen bis Herbst sei offen. Das heißt aber auch: Scheitern ist genauso möglich.

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