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Profil:Unterstützer der Armen und des Amazonas

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In Rom wird Leonardo Steiner von Papst Franziskus zum Kardinal ernannt. Viele werten dies als Zeichen.

Von Christoph Gurk

Rauch verdunkelte dieser Tage abermals den Himmel über Manaus, und Leonardo Steiner weiß, dass das kein gutes Zeichen ist: Es ist mal wieder Brandsaison im Amazonas, so schlimm wie dieses Jahr war es aber schon lange nicht mehr. Tausende Feuer lodern, viele Farmer und Viehzüchter wollen vermutlich Fakten schaffen, solange in der brasilianischen Hauptstadt noch eine Regierung sitzt, von der sie nichts zu befürchten haben.

Am 2. Oktober finden Wahlen statt in Brasilien, Südamerikas größter Demokratie, aber auch dem Land, in dem weltweit die meisten Katholiken leben. Da kann man es also durchaus als ein Zeichen deuten, dass Papst Franziskus dieses Wochenende Leonardo Steiner zum Kardinal ernennt, einen Geistlichen, der vor allem für seinen Kampf für den Schutz des Regenwaldes bekannt geworden ist - und gleichzeitig für seine offene Kritik an Brasiliens rechter Regierung.

Der Franziskaner sieht es als seine Pflicht, dorthin zu gehen, wo es schmerzt

71 Jahre alt ist Steiner, ein Franziskaner, der bislang Erzbischof von Manaus war. Anfang 2020 hatte er dieses Amt angetreten, kurz danach erreichte die Corona-Pandemie Brasilien. Doch während Staatspräsident Jair Bolsonaro die Gefahren durch das Virus stets kleinredete, wurden in einigen Landesteilen die Särge knapp. Vor allem in Manaus war die Lage katastrophal, Bagger hoben Massengräber aus. Leonardo Steiner sprach damals offen von Missmanagement in der Regierung und half, Sauerstoffflaschen an verzweifelte Angehörige zu verteilen. "Als Mitglied des Franziskanerordens ist es meine Pflicht, unter die Menschen zu gehen, dorthin, wo es schmerzt", sagt er.

Leonardo Steiner stammt aus Forquilhinha im südbrasilianischen Bundesstaat Santa Catarina. Seine Vorfahren waren Ende des 19. Jahrhunderts aus Rheinland-Pfalz nach Brasilien eingewandert. Zu Hause wurde nur Deutsch gesprochen, sagt Steiner, erst in der Schule habe er Portugiesisch gelernt.

Als 13. von 16 Kindern wuchs er in einem frommen Elternhaus auf. Eigentlich habe er Missionar in Afrika werden wollen, stattdessen aber studierte er Philosophie und Theologie, ein Akademiker, kein Armenpfleger.

2005 nahm Steiners Leben dann aber eine Wendung: Papst Johannes Paul II. machte ihn zum Bischof von São Félix, Bundesstaat Mato Grosso. Hier, tief im Herzen Brasiliens, tobt seit Jahrzehnten ein erbitterter Streit um Land, Soja-Bauern und Viehzüchter gegen Umweltschützer und indigene Gruppen. Er habe damals erkannt, sagt Steiner, dass er auch in seiner Heimat als Missionar arbeiten könne, nicht um Leute zu bekehren, sondern um ihnen beizustehen.

2011 übernahm Steiner die Leitung der brasilianischen Bischofskonferenz, im gleichen Jahr wurde er Weihbischof in der Hauptstadt Brasília. In dieser Funktion traf er sich bei den jüngsten Wahlen 2018 mit Fernando Haddad, dem Kandidat der Linken, der später in der zweiten Runde gegen den heutigen Präsidenten Jair Bolsonaro verlor.

Es gab damals viel Kritik, aber es sei auch die Aufgabe von Christen, sich an der Politik zu beteiligen, glaubt Steiner, erst recht in einem Land, in dem die Eliten sich nicht genug für die Menschen einsetzen, weil sie sich zu sehr auf ihre eigenen Interessen konzentrieren. Innerhalb der katholischen Kirche gehört Leonardo Steiner dem progressiven Flügel an. Er setzt sich unter anderem dafür ein, dass verheiratete Männer zu Priestern geweiht werden können.

Seine Ernennung gelte nicht nur seiner Person, sagt Steiner, sondern sei auch ein Zeichen für den Amazonas, zu dem der Papst seiner Meinung nach eine besondere Zuneigung hat. Am Samstag nun wird Leonardo Steiner zum Kardinal ernannt. Sollte Franziskus in den nächsten Jahren sterben oder abdanken, wird Steiner eines der Mitglieder des Konklaves sein, das über einen Nachfolger berät. Sind die Kardinäle sich einig geworden, steigt weißer Rauch auf: in diesem Falle ein gutes Zeichen.

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