Süddeutsche Zeitung

Parteien:Vorsicht, Selbstbetrug

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Es braucht in der CDU nun jemanden, der Armin Laschet sagt, dass es vorbei ist. Und Grüne und Freidemokraten sind hoffentlich achtsam zu sich selbst.

Von Nico Fried

Die SPD hat die Bundestagswahl gewonnen. Man muss diese mathematische Tatsache noch mal in aller Einfachheit hinschreiben, weil am Sonntag phasenweise ein anderer Eindruck entstehen konnte. Vor allem die Union, die eine historische Niederlage kassierte, machte einen Wind, als könne man Fakten verschwinden lassen, wenn man sie nur lange genug durcheinanderwirbelt. Am Tag danach hielten in CDU und CSU zwar etwas mehr Demut und Realitätssinn Einzug, das Wort Niederlage aber vermied Armin Laschet immer noch.

Richtig ist natürlich auch, dass Olaf Scholz diese Wahl politisch erst dann gewonnen hat, wenn es ihm gelingt, eine Koalition zu bilden, die ihn zum Bundeskanzler wählt. Dafür wäre es taktisch vielleicht günstig gewesen, über die Option einer rot-grün-roten Koalition zu verfügen, um den Druck auf die FDP zu erhöhen. Andererseits wäre es für die Bildung der ersten Koalition aus drei Bundestagsfraktionen gar keine gute Voraussetzung, mit Druck arbeiten zu müssen. Es reicht, wenn sich alle drei Parteien in einer durchaus kritischen Lage ihrer Verantwortung für die Akzeptanz des demokratischen Systems im Allgemeinen und für das Ergebnis einer Bundestagswahl im Besonderen bewusst sind.

Sein einziges Thema: die Warnung vor Rot-Grün-Rot

Die wichtigste Frage, die sich der CDU nach diesem Wahltag stellt, lautet, ob Armin Laschet nicht selbst denen langsam peinlich wird, die ihn als Kanzlerkandidaten durchgesetzt haben. Laschet war von einer Mehrheit der Parteibasis nicht gewollt, die CSU hat ihn nie wirklich akzeptiert. Er hat einen schlechten Wahlkampf geführt und der Union ein verheerendes, historisch beispielloses Ergebnis eingebrockt. Das einzige Thema, mit dem Laschet den völligen Absturz der Union verhindern konnte, war die Warnung vor Rot-Grün-Rot. Es war also kein Politikangebot, das ein wenig mobilisierte, sondern nur das Versprechen, eine andere Politik verhindern zu wollen. Und trotzdem glaubt er noch immer, eine Regierung führen zu können, die mit Lust und Freude an die Arbeit geht?

Was am Wahlabend wirklich verstörte, war Laschets Mangel an Selbstachtung. Die Nonchalance, mit der er sein politisches Versagen zu kaschieren versuchte. In der Elefantenrunde am Sonntag erinnerte er in seiner Trotzigkeit an Gerhard Schröder 2005. Laschet bestätigte mit seinem Verhalten das schlimmste Klischee gegen Politik und Politiker: dass es nur um Posten und Pfründe geht.

Einer hat soeben gezeigt, dass er Gegensätze ausgleichen kann

Der CDU-Chef weist gerne darauf hin, dass die Krisen der zurückliegenden Jahre nicht Gegenstand von Koalitionsverhandlungen, sprich: nicht vorhersehbar waren. Wenn das nun wieder so sein sollte, will man dann in der nächsten Krise einen wie Laschet an der Spitze sehen? Was der CDU-Vorsitzende jetzt braucht, ist ein Christdemokrat, wie es in der SPD damals Franz Müntefering gegenüber Schröder war: jemand mit Autorität, der Laschet klarmacht, dass es vorbei ist.

Es ist bemerkenswert, dass Laschet weiter damit wirbt, Gegensätze ausgleichen zu können. Denn genau das ist ihm ja in einem halben Jahr Wahlkampf nicht gelungen, auch wenn die CSU und Markus Söder dazu heftig beigetragen haben. Wenn jemand diese Integrationsfähigkeit für sich in Anspruch nehmen kann, dann ist es Olaf Scholz, der selbst mit ehemaligen Konkurrenten, die ihm partei-intern schon schwere Niederlagen zugefügt haben, einen geschlossenen Wahlkampf hingelegt hat.

Neben der SPD gehört die FDP zu den Siegern dieser Wahl. Rein zahlenmäßig ganz sicher auch die Grünen, wobei Annalena Baerbock und Robert Habeck in geradezu schwindelerregendem Tempo die Bezugsgröße für die Bewertung ihres Ergebnisses veränderten - plötzlich wurden die Zugewinne nach 2017 betont, als habe es den Anspruch auf die Kanzlerschaft nie gegeben. Es ist vernünftig, dass FDP und Grüne erst einmal untereinander ausloten, wie sie zusammen regieren könnten. Es ist wünschenswert, dass vor allem die Grünen geschickter sondieren, als sie Wahlkampf geführt haben. Bei der Wahl ihres Partners schließlich sollten beide Parteien darauf achten, sich nicht in Mithaftung für einen Selbstbetrug nehmen zu lassen, dem die Union noch immer unterliegt.

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