Süddeutsche Zeitung

Organisierte Kriminalität:Große Sorge, später mehr

Das Innenministerium berichtet von massivem staatlichen Durchgriff. Doch auffällig ist, was alles nicht geschieht.

Kommentar von Constanze von Bullion

Siebenhundert Kilo Heroin aus Dubai haben deutsche Sicherheitsbehörden 2021 in einem Container sichergestellt, dazu zweieinhalb Tonnen Kokain im Hamburger Hafen, ein Rekordfund. Bei verwandtschaftlich organisiertem Drogen-, Waffen- und Frauenhandel, der sogenannten Clankriminalität, konnten mehr Ermittlungsverfahren eingeleitet werden als im Vorjahr. Die Zahl Tatverdächtiger im organisierten Verbrechen stieg deutlich um fast 15 Prozent. Was Bundesinnenministerin Nancy Faeser am Mittwoch im Lagebericht Organisierte Kriminalität 2021 präsentiert hat, klingt nach maximalem Durchgriff des Staates. Aber nur, wenn man sich das Kleingedruckte erspart.

Richtig ist: Das international organisierte Verbrechen ist ein Milliardengeschäft. Allein im vergangenen Jahr haben gewerbsmäßige Kriminelle aller möglichen Nationalitäten in Deutschland Schäden in Höhe von 2,2 Milliarden Euro hinterlassen - und das ist nur der registrierte Teil. Weitaus größer dürften die Summen sein, die ergaunert, erpresst, erprügelt wurden, ohne dass der Rechtsstaat davon erfahren hat. OK, dieses freundliche Kürzel für organisierte Kriminalität, steht für ein Maß an Brutalität, das immer noch steigerungsfähig erscheint. Das Bedrohungspotenzial sei "immens", heißt es im Bundeskriminalamt, die Sorge groß.

Kein Wunder, denn die jüngsten Ermittlungserfolge im Bereich "OK" gehen zu einem Drittel gar nicht aufs Konto deutscher Ermittler. In den Niederlanden etwa gelang es Europol, in den Messengerdienst Encrochat einzudringen, ein professionelles Netzwerk krimineller Geschäftemacher. Der deutsche Beitrag: eher gering. Von Innenministerin Faeser wüsste man auch gern, was eigentlich aus dem Versprechen der Koalition geworden ist, die Geldwäsche entschlossen zu bekämpfen. Die Zahl der Ermittlungsverfahren sank hier zuletzt. "Im Spätherbst" will die Ministerin ein Konzeptpapier vorlegen. Es klingt wie meistens: nach Warten.

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