Süddeutsche Zeitung

Iran:Justiz-Farce mit Hintergedanken

Wie Teheran einen Gefangenenaustausch erpressen möchte.

Von Paul-Anton Krüger

Ein Revolutionsgericht in Teheran hat die deutsch-iranische Doppelstaaterin Nahid Taghavi und einen britisch-iranischen Aktivisten zu mehr als zehn Jahren Haft verurteilt. Was für eine Justiz-Farce das ist, erschließt sich schon aus den Tatbeständen: Beteiligung an einer "illegalen politischen Gruppe" und "Propaganda gegen das Regime". In keinem Rechtsstaat gibt es solche Paragrafen - dem Regime dienen sie zur Gängelung von Andersdenkenden.

Allerdings ist es im Fall Taghavis und Dutzender anderer Doppelstaatler so, dass sie sich wohl selbst nach iranischem Recht nichts zuschulden kommen haben lassen. Vielmehr halten die Revolutionsgarden sie als Faustpfand, um im Ausland inhaftierte Iraner freizupressen. Deutschland blieb anders als Großbritannien oder die USA lange davon verschont. Doch seit deutsche Polizisten 2018 einen in Österreich als Diplomaten akkreditierten iranischen Geheimdienstler bei der Vorbereitung eines Terroranschlags verhaftet haben, gilt das nicht mehr.

Die neuen Urteile in Teheran, die wohl schon im Juni ergangen waren, sollen den Preis hochtreiben. Verhandlungen mit den USA und Großbritannien über einen Gefangenenaustausch sind jüngst geplatzt. Umso mehr werden sich die Bundesregierung und die EU langsam überlegen müssen, wie sie dieser Geiseldiplomatie wirksam entgegentreten können.

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