Süddeutsche Zeitung

Internet:Das Leben als Werbeblock

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Der Bundesgerichtshof erkennt an: Kommerz gehört bei Influencern dazu. Das ist richtig - solange sie es nicht verhehlen, wenn sie für die Reklame bezahlt werden.

Kommentar von Wolfgang Janisch

Wer aus Karlsruhe ein kulturpessimistisch naserümpfendes Urteil zu den agilen Selbstvermarkterinnen auf Instagram erwartet hatte, der dürfte positiv überrascht sein. Der Bundesgerichtshof (BGH) lässt den Influencerinnen, die auf ihren Kanälen im privaten Plauderton Mode und Make-up empfehlen, einen großen Freiraum. Sie dürfen herzeigen, was sie toll finden, sie dürfen Markennamen nennen, ohne einen dicken "Vorsicht Werbung"-Balken einzublenden - solange sie nicht dafür bezahlt werden. Damit werden etwa Cathy Hummels und Leonie Hanne, die beim BGH ihr Konzept verteidigt haben, leben können.

Influencermarketing ist ein vergleichsweise neues Phänomen, das vor allem jene erreichen soll, die nicht mehr fernsehen oder in Zeitschriften blättern. Es ist richtig, dass der BGH hier für eine großzügige Linie eintritt. Mindestens ebenso wichtig ist aber, dass er ein paar Grenzen eingezogen hat. Wer sich dafür bezahlen lässt, Produkte anzupreisen, der muss dies auch mitteilen. Bezahlte Werbung ist eben bezahlte Werbung.

Die Beziehung zu den Followern ist nun mal sehr intensiv

Wer solche Kennzeichnungspflichten für altmodisch hält, weil der Nutzer und die Userin des 21. Jahrhunderts längst wissen, dass auf diesen Kanälen auch geworben wird, der verkennt die Eigenheiten des Influencertums. Es geht eben gerade nicht mehr um den Werbeblock aus alten TV-Zeiten, den man wegschalten konnte. Influencerinnen und Influencer, die es ebenfalls gibt, erzählen aus ihrem Leben, von dem, was sie bewegt. Sie gehen, wie die Kommunikationswissenschaft es ausdrückt, eine intensive soziale Beziehung mit ihren Followern ein. Und wie nebenbei halten sie eine Handtasche oder ein Sportshirt in die Kamera. Der scheinbar so vertrauliche Umgang mit den Followern mischt sich also kunstvoll mit kommerziellen Zwecken. Das ist nicht verwerflich. Aber wenn die spontane Empfehlung in Wahrheit bezahlte Werbung ist, dann muss dies ausdrücklich offengelegt werden - andernfalls verschwimmen Kommerz und Privatheit. Denn in einem Punkt lässt der BGH keinen Zweifel: Das Betreiben eines Influencerkanals, mag er noch so fröhlich daherkommen, ist eine "geschäftliche Handlung".

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