Süddeutsche Zeitung

Grüne:Baerbock hat im Fall Palmer wenig zu gewinnen

Ausschlussverfahren wie das gegen den Tübinger Oberbürgermeister dienen einer Partei zur Selbstvergewisserung. Dem Delinquenten aber verschaffen sie nur noch mehr Aufmerksamkeit.

Kommentar von Nico Fried, Berlin

Für Annalena Baerbock zeigt der Fall Boris Palmer, dass sie nun anders beobachtet wird. Hätte die Vorsitzende der Grünen mit ihrer Androhung von Konsequenzen zu lange gewartet, wäre gleich eine Diskussion über die Entschlusskraft der Kanzlerkandidatin losgebrochen. Dabei hat eine Partei in einem Ausschlussverfahren wenig zu gewinnen, wenn es gelingt, aber viel zu verlieren, wenn es scheitert. Es dient der Selbstvergewisserung einer Partei, aber gewiss nicht dazu, den Delinquenten ruhigzustellen.

In der SPD, die Jahre auf den Ausschluss Thilo Sarrazins verwendet hat, kann sich Baerbock erkundigen, wie viel Aufwand der Gang vor die Schiedsgerichte bedeutet - und wie viel Ablenkung von echter Politik. Die Grünen-Spitze muss nun den Beweis führen, dass Palmers inkriminierter Satz über einen Fußballer gegen ihre Werte verstößt. Das wird übrigens nur zu dem Preis möglich sein, dass der Satz immer wieder zitiert wird.

Boris Palmer hat das Verfahren begrüßt und meint das vermutlich ernst. Ihm, der als so großes Talent galt und doch keinen politischen Aufstieg mehr zu erwarten hat, verschafft das willkommene Aufmerksamkeit. Seinem Argument, der Satz sei ironisch gemeint gewesen, kann man nur mit viel Mühe folgen. Und was Palmer in jedem Fall übersieht: Auch ein ironischer Satz kann ein saudummer Satz sein.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.5289045
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.