Süddeutsche Zeitung

Profil:Gabby Giffords

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Ein Kopfschuss sollte die US-Parlamentarierin töten. Sie überlebte - und kämpft jetzt gegen Waffengewalt in ihrem Land.

Von Fabian Fellmann

Heute sagt sie, sie habe eine zweite Chance erhalten, Amerika zu dienen, an jenem 8. Januar 2011. Die demokratische Parlamentarierin aus dem konservativen Arizona traf gerade Wähler vor einem Supermarkt in Tucson. Da trat ein Fanatiker hinzu, hob eine Pistole, schoss ihr zuerst in die Stirn und feuerte danach in die Menge. Sechs Menschen kamen ums Leben.

Für Gabby Giffords hingegen begann ein anderer Leidensweg. Die Kugel hatte ihren Schädel durchquert und das Hirn verletzt - glücklicherweise jedoch nicht tödlich. Die damals 41-Jährige wurde in ein künstliches Koma versetzt und mehrfach an Schädel und Hirn operiert. Die Augen öffnete sie das erste Mal wieder, als Präsident Barack Obama sie vier Tage später besuchte.

Es grenzte an ein Wunder, dass Giffords wieder aufwachte. Die schöne junge Frau, die vorher so viel Lebensfreude ausgestrahlt hatte, war kaum noch zu erkennen: Eingefallen waren ihre Wangen, die Stirn von Narben entstellt, bewegen konnte sie sich nur wenig, sie sah kaum etwas, und weil der Schuss ihr Sprachzentrum zerstört hatte, brachte sie auch kein Wort heraus.

Doch stoppen konnten die Schüsse Gabby Giffords nicht. Sie kämpfte sich zurück, lernte erneut, ihre Arme und ihre Beine zu gebrauchen, trainierte sich die Sprache wieder an. Sechs Monate nach dem Attentat kehrte Giffords in das Kapitol in Washington zurück. Auf Twitter schrieb sie einen Satz, der in die kollektive Erinnerung der Amerikaner eingehen sollte: "Das Kapitol sieht schön aus, und ich bin geehrt, heute bei der Arbeit zu sein."

Die Haare noch kurz rasiert und die Stirn vernarbt, stakste sie auf den Floor, begleitet von tosendem Applaus der anderen Abgeordneten. Trotzdem war das Amt für Gabby Giffords zu viel; ein Jahr nach dem Angriff trat sie zurück, um sich ihrer Genesung zu widmen.

Aber Giffords dachte nicht daran, mit der Politik aufzuhören. Als Überraschungszeugin sagte sie 2013 vor einem Senatsausschuss aus, der die Hintergründe der zunehmenden Waffengewalt in den USA ausleuchtete. "Zu viele Kinder sterben", sagte Giffords in einem bewegenden Auftritt. Im selben Jahr gründete sie mit ihrem Mann Mark Kelly ein Komitee, um das Übel zu bekämpfen.

Lähmung und Hoffnung

Inzwischen hat ihr Mann, als früherer Kampfjetpilot und Nasa-Astronaut ebenfalls eine Berühmtheit, einen der Senatssitze von Arizona erobert. Jetzt ist er derjenige, der sich in Washington im Parlament gegen die Waffengewalt einsetzt, während Giffords andere Wege und Mittel sucht, um auf dasselbe Ziel hinzuarbeiten. Daneben klärt sie über Aphasie auf, die Sprachbehinderung, unter der sie leidet: Sie hat die Wörter im Kopf, bringt sie aber nicht über die Lippen. "Ich habe die dunkelsten Tage erlebt. Tage des Schmerzes und unsicherer Genesung. Aber mit Verzweiflung konfrontiert, habe ich Hoffnung geschöpft", sagte Giffords zehn Jahre nach dem Attentat: "Konfrontiert mit Lähmung und Aphasie, habe ich mit Mut und Entschlossenheit geantwortet."

Dieser Tage wird es wieder besonders streng für Giffords. Die Zahl der Schusswaffendelikte steigt stark, kaum eine Woche vergeht, an der keine Massenschießerei das Land erschüttert. Auch damit ist zu erklären, dass Joe Biden jetzt entschieden hat, Giffords die "Freiheitsmedaille" des Präsidenten zu verleihen, als Anerkennung für ihre außerordentlichen Verdienste in öffentlichen Ämtern und bei der der Prävention von Waffengewalt.

Sie fühle sich geehrt über die bedeutende Medaille; es sei eine Ehre gewesen, Arizona als Parlamentarierin zu vertreten, aber sie sei auch glücklich, eine zweite Chance erhalten zu haben, zum "Kampf, Schusswaffengewalt zu beenden". Diesen Kampf treibt sie mit unglaublicher Energie voran, Schritt um Schritt, wie sie damals das Gehen wieder lernte: Bereits nächste Woche erscheint ein neuer Dokumentarfilm über ihr Leben. Der Titel lautet "Gabby Giffords gibt nicht auf".

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