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FDP:Ordentlich reicht eben nicht

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Nach dem schlechten Abschneiden in Schleswig-Holstein werden bei den Liberalen die Rufe nach einem schärferen Profil lauter. Und das stellt die Strategie von Parteichef Christian Lindner infrage.

Kommentar von Paul-Anton Krüger

FDP-Chef Christian Lindner hat schon recht, wenn er davor warnt, aus einzelnen Landtagswahlen zu weitreichende Rückschlüsse auf die Bundespolitik zu ziehen. Allerdings drängen sich nach dem Sieg von Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) in Schleswig-Holstein für die Liberalen Fragen auf. Sie werden sich mit noch größerer Dringlichkeit stellen, wenn das Ergebnis der Freien Demokraten in Nordrhein-Westfalen am kommenden Wochenende nicht deutlich besser ausfallen sollte - dem Landesverband, aus dem Lindner kommt, auf dem seine Macht in der Partei gründet, aus dem er die Berliner Führungsriege der FDP rekrutiert hat.

Die Liberalen haben einkalkuliert, dass der Eintritt in die Ampel-Koalition in Berlin sie Punkte kosten wird - auch wenn man bei der FDP das Wort von einem Lagerwechsel meidet. Die liberalen Strategen gingen allerdings davon aus, eher im Bereich von acht bis zehn Prozent zu landen, nicht in derart unkomfortabler Nähe der gefürchteten Fünf-Prozent-Hürde, wie jetzt mit 6,4 Prozent in Kiel. Die Wahl an der Küste widerlegt zugleich, dass Dreier-Konstellationen zulasten jenes Partners gehen, der sich der anderen politischen Seite öffnet. Die Grünen sind zweitstärkste Kraft im Norden geworden und haben kräftig zugelegt. Sie konnten, anders als die FDP, profitieren von der Beliebtheit der Regierung.

Kritik am Kanzler? Das kommt durchaus an

Im Bund sahen Gelb und Grün schon eine neue politische Epoche anbrechen, in der die beiden kleinen Partner zusammen größer sind, als die auf Maß geschrumpften Volksparteien. Strukturell sieht es aber eher danach aus, dass die Grünen zu Union und SPD aufschließen, den Liberalen dies aber nicht im gleichen Maß gelingt. Die Umfragen in Nordrhein-Westfalen deuten ebenfalls in diese Richtung. In Schleswig-Holstein hat es bei den Grünen für die Staatskanzlei bei Weitem nicht gereicht, zu stark war der Günther-Effekt. Der Ministerpräsident kann sich seinen Partner für die kommenden fünf Jahre aussuchen. Die Grünen dürften aber künftig öfter die Partei sein, gegen die sich keine Regierung jenseits einer großen Koalition bilden lässt.

Bei den Liberalen werden die Rufe nach einem stärkeren Profil und mehr Eigenständigkeit lauter. Der neue Generalsekretär Bijan Djir-Sarai bekam auf dem Parteitag den stärksten Zuspruch für die Ansage, er werde nicht als Regierungssprecher fungieren. Bejubelt wurde die Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann, die den Kanzler scharf angegangen war. Christian Lindner ist als Parteichef unangefochten, aber es wachsen Zweifel an seiner Strategie. Seine Maßgabe lautete, die Regierungsbeteiligung in Berlin werde den Liberalen genug öffentliche Aufmerksamkeit bringen, die Wähler würden lautloses und seriöses Mitregieren und die Umsetzung liberaler Ideen vor allem in der Finanz- und Gesellschaftspolitik honorieren.

Die neuen Realitäten im Alltag des Regierens

Das alles war natürlich eine Rechnung, die Lindner vor dem russischen Angriff auf die Ukraine aufgestellt hat, als nicht absehbar war, dass dem Auswärtigen Amt oder dem Verteidigungsministerium neue Bedeutung zuwachsen würde - Ressorts, um die Lindner bei der Regierungsbildung einen weiten Bogen gemacht hat. Die Liberalen im Bundeskabinett machen zwar einen ordentlichen Job, wie es in der Partei heißt. Allzu viel Strahlkraft aber geht nicht aus von ihnen. Die FDP hat viel herausgeholt bei den Koalitionsverhandlungen im Bund. Jetzt läuft sie Gefahr, durch die neuen Realitäten des Regierens aufgerieben zu werden.

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