Süddeutsche Zeitung

Baerbock in Nahost:Sie kann es nur besser machen

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Und jetzt nach Jerusalem und Ramallah: Da kann die neue Außenministerin gleich mal zeigen, was "wertegeleitete Außenpolitik" konkret heißt.

Kommentar von Peter Münch

Sie eilt quasi von Front zu Front. Gerade erst hat sich Annalena Baerbock an der ukrainisch-russischen Kampflinie kundig gemacht, da steigt sie mit einer Reise nach Jerusalem und Ramallah gleich noch hinab in die Niederungen des Nahostkonflikts. Doch während das Säbelrasseln rund um die Ukraine derzeit fast die ganze Welt in Atem hält, ist dieser Zwist wieder mal nach hinten gerückt. Befördert wird das durch eine Mischung aus Hilflosigkeit und Frustration. In Nahost, so lautet das allgemeine Urteil, kann man eh nichts machen - und Deutschland schon gar nicht.

Dass dies auf deutscher Seite so gesehen wird, hat auch einiges mit Baerbocks Vorgänger Heiko Maas zu tun. In Erinnerung bleiben wird höchstens ein PR-gerecht inszeniertes Bild von seinem letzten Auftritt in der Region: Da steht Maas während des Gaza-Kriegs im Mai 2021 im Slim-Fit-Dress in den Trümmern eines israelischen Hauses. Auch ansonsten hat er sich in diesem Konflikt eher dünngemacht und zugunsten einer reibungslosen Beziehung zur rechten Regierung in Jerusalem die israelische Zivilgesellschaft ebenso links liegen lassen wie die Palästinenser.

Baerbock also hat einen Antrittsbonus: Sie kann es fast nur besser machen. Dabei gab es auf deutscher Seite durchaus schon Außenminister, die eine Rolle gespielt haben in den Bemühungen zur Lösung des Konflikts. Das gilt zum Beispiels für Baerbocks grünen Urahnen Joschka Fischer. Der gab in seinen Amtsjahren 1998 bis 2005 vielleicht manchmal etwas zu selbstgerecht den Friedensfürsten. Aber er schaffte es, auf beiden Seiten der Konfliktlinie anerkannt und damit in gewissem Rahmen einflussreich zu sein.

Ihr Reiseplan beginnt nicht mit Terminen bei der Regierung

Das ist zumindest schon mal eine Orientierungshilfe für die neue Außenministerin. Auf ihrem Terminplan steht nun als Erstes ein Gespräch mit Vertretern privater israelischer Organisationen, bevor sie mit Außenminister Jair Lapid und Premier Naftali Bennett zusammentrifft. Von Jerusalem aus fährt sie dann nach Ramallah zu Palästinenserpräsident Mahmud Abbas und seinem Außenminister Riad Malki.

Das wirkt ausgewogen. Dabei braucht es, um ehrlicher Makler zu sein in diesem Konflikt, gar keine Äquidistanz. Jeder weiß um Deutschlands historische Verantwortung gegenüber Israel, und Baerbock hat sich zu Recht gleich Merkels Diktum von "Israels Sicherheit als Teil der deutschen Staatsräson" zu eigen gemacht. Aber auch das Recht der Palästinenser auf einen eigenen Staat sollte nicht nur rhetorisches Beiwerk sein - vor allem dann nicht, wenn wie von Baerbock eine "wertegeleitete Außenpolitik" propagiert wird.

Auf dem nahöstlichen Konfliktfeld wird man gut beobachten können, wie weit sich dieser Anspruch mit der Realität verträgt. Mindestens dehnbar wird er etwa in der Frage von Waffenlieferungen in Krisengebieten sein müssen. Die Ukraine mag man mit Schutzhelmen abspeisen können. Israel erwartet von Deutschland deutlich mehr: U-Boote zum Beispiel, die mit Atomwaffen bestückt werden können. Doch in anderen Fragen - bei der Besatzung der Palästinensergebiete und beim Siedlungsbau - wird die Völkerrechtlerin Baerbock, wenn sie glaubwürdig bleiben will, deutliche Worte finden müssen. Andere haben vorgemacht, dass solche Kritik unter Freunden möglich, ja sogar nötig ist.

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