Süddeutsche Zeitung

Neun-Euro-Ticket:Minister ohne Mumm

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Die Bundesregierung könnte das Neun-Euro-Ticket als Einstieg in die Verkehrswende nutzen. Doch Volker Wissing und seine Länderkollegen verspielen die Chance leichtfertig.

Kommentar von Markus Balser

Volle Bahnsteige und Busse, deutlich leerere Straßen in Innenstädten: Mit dem Neun-Euro-Ticket ist eine politische Blitzaktion in diesem Sommer zum Erfolgsmodell geworden. Was die Ampelkoalition im März überraschend beschlossen hatte, ließ die Deutschen seit Juni in großer Zahl vom Auto auf den öffentlichen Nahverkehr umsteigen. Denn der ist seither günstig und bundesweit einfach zu nutzen.

Entstanden ist eine wohl einzigartige Gelegenheit, Teile der Auto-Nation auch langfristig für den klimafreundlichen Nahverkehr zu begeistern. Die Spritpreise bleiben wohl noch Monate hoch. Das Neun-Euro-Ticket hat vielen Deutschen, die lange nicht mehr Bus oder Bahn gefahren sind, die Berührungsängste genommen. Doch Verkehrsminister Volker Wissing und seine Länderkollegen sind dabei, diese Chance leichtfertig zu verspielen.

Es naht das Ende der größten Rabattaktion seit Jahrzehnten im ÖPNV. Mit Ablauf des Augusts wird Schluss sein mit dem Fahrvergnügen im Regionalnetz. Seit Dienstag ist zudem klar, dass es keine schnelle Nachfolgelösung geben wird. Die Bundesregierung will erst Ende des Jahres darüber beraten. Es fehlt vor allem am politischen Willen Wissings, dauerhaft deutlich mehr Geld in den Nahverkehr zu stecken.

Die Folgen werden Passagiere bald zu spüren bekommen. Weil eigentlich zugesagte Bundeshilfen bisher ausbleiben, drohen wegen stark gestiegener Energiekosten von September an sogar deutlich höhere Ticketpreise als vor dem Neun-Euro-Ticket. Der Preissprung würde den Plan der Bundesregierung regelrecht torpedieren, die Passagierzahlen im Nahverkehr in wenigen Jahren zu verdoppeln.

Dabei bräuchte es nicht mal zusätzliche Milliarden für eine klimafreundlichere und sozialere Verkehrspolitik. Machbar wäre die schon, wenn die Ampelregierung klimafeindliche Subventionen wie das Dienstwagenprivileg oder die Diesel-Steuersubvention kippte. Doch für eine echte Verkehrswende fehlt dieser Regierung bisher der Mut.

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