Süddeutsche Zeitung

Zeitungsstreik in Italien:Medien protestieren gegen Abhörgesetze

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Leere Kioske, keine neuen Zeitungen: In Italien streiken die Medien wegen des neuen Gesetzesvorhabens von Berlusconi.

Andrea Bachstein

Leer geblieben sind an diesem Freitag an Italiens Kiosken die Ständer der großen Tageszeitungen. Die wichtigsten Blätter wie La Repubblica, Corriere della Sera, La Stampa, Il Sole 24 ore oder Messaggero sind wie die Agentur Ansa dem Streikaufruf des Journalistenverbandes FNSI gefolgt. Er hat den 9. Juli zum Tag des Stillschweigens erklärt.

Es geht nicht um Geld oder Arbeitszeit. Die Aktion ist Höhepunkt des Protestes gegen die Abhörgesetze, die die Regierung von Silvio Berlusconi durchsetzen will. Auch elektronische Medien sind dem Aufstand umfangreich gefolgt. Nachrichten der staatlichen Senderkette Rai fielen ebenso aus wie Sportberichte. Pressestellen und Internetredaktionen beteiligten sich auch an dem Informations-Black-Out. Erschienen sind die kleinen, regierungsnahen Zeitungen.

Der FNSI erklärte, die Aktion demonstriere das große Schweigen, das durch das Gesetzespaket drohe. Ob die bereits mehrmals geänderten Entwürfe noch vor der Sommerpause vom Parlament verabschiedet werden, ist unsicher. Nicht nur die Opposition widersetzt sich, auch im Regierungslager gibt es Bedenken. Die Regierung argumentiert mit einem besseren Schutz der Privatsphäre. Die Änderungen treffen in erster Linie die Justiz. Viele Richter, Staatsanwälte und Mafia-Verfolger wehren sich vehement, weil sie um ihre Ermittlungsarbeit fürchten.

Medien würden die neuen Gesetze vor allem verbieten, Abhörprotokolle zu veröffentlichen und vor Prozessbeginn Ermittlungsakten zu zitieren. In Deutschland und vielen Ländern ist dies Gesetzeslage. In Italien sollen die Regelungen aber auch angewendet werden können nach Ablauf des Ermittlungsgeheimnisses. Verstöße könnten mit Geldstrafen gegen Redakteure geahndet werden, die bis in die Hunderttausende reichen, sogar Haftstrafen wären möglich.

Bisher passiert es immer wieder, dass über Personen berichtet wird, die zwar in Ermittlungen auftauchen, aber am Delikt unbeteiligt sind. Auch Vertreter der protestierenden Medien räumen deshalb ein, dass der Persönlichkeitsschutz gestärkt werden müsse. Das Problem liegt für sie in der Praxis. Ermittlungen dauern oft Jahre. So lange dürfte nicht detailliert berichtet werden. Nicht selten sind Politiker oder ihre Protegés von Ermittlungen betroffen. Deshalb sehen Gegner die "Maulkorb"-Gesetze als weiteren Versuch der Politik, sich selbst zu schützen.

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Quelle:
SZ vom 10.07.2010
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