Süddeutsche Zeitung

"Tatort" aus Frankfurt:Ohne Soße

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Der vorletzte "Tatort" mit dem HR-Team Janneke und Brix bezaubert mit rauschhaftem Sound und nervöser Dunkelheit.

Von Claudia Tieschky

Oft wird im Tatort beklagt, dass man nichts versteht. Das ärgerliche Textwegnuscheln passiert den Theatermenschen Margarita Broich und Wolfram Koch als Frankfurter Ermittler Janneke und Brix im Fernsehen sowieso nicht. Das ist schön, aber nicht nur deshalb ist die Episode "Kontrollverlust" - eine Story um die viel zu enge Verstrickung zweier hochempfindlicher Menschen, die auch noch Mutter und Sohn sind - ein überraschend delikates Hörerlebnis. In diesem Krimi knallt kein Schuss, sondern ein berauschend entrückter Sound streichelt und umschmeichelt die dunklen Szenen. Und es stellt sich die Frage: Ja, wo sind wir hier denn? Ist dem deutschen Fernsehen der Schnulz-Soßensound ausgegangen? Ist das überhaupt erlaubt, so eine Sabotage an der Mittelmäßigkeit?

Der heimliche Star dieses Tatorts ist das Sinfonieorchester des Hessischen Rundfunks, das die wahnsinnige Filmmusik von Bertram Denzel und Max Knoth spielt. Nicht unbedingt selbstverständlich: Jeanette Hain hält dem elegischen Sound stand in ihrer Rolle als nervös-labile Künstlerin und vereinnahmende Mutter. Die Regisseurin Elke Hauck, die zusammen mit Sven S. Poser auch das Drehbuch schrieb, wendet kompliziertes Innenleben so leise nach außen, dass es dem Zuschauer kein Verstehen, kein Einfühlen abverlangt. Das grenzt vermarktungsmäßig an Selbstvernichtung, Identifikation ist schließlich die Währung im Gefühlsgeschäft Film. Wie man mit solcher Rätselhaftigkeit aber große Spannung erzeugt, hat Hauck vor zwei Jahren in dem ungewöhnlichen Polizisten-Mystery-Drama Gefangen mit Wolfram Koch in der Hauptrolle vorgeführt, das die ARD ruhig mal wiederholen könnte. "Ich würd' schon gern noch mal die Kontrolle verlieren mit jemand", sagt Koch jetzt als Brix in diesem Tatort.

Es liegt Abschied in der Luft, vor ein paar Tagen haben Koch und Broich angekündigt, dass der gerade abgedrehte, nächste Fall im kommenden Jahr ihr letzter sein wird. Wie schade. Die beiden gehören zu den wenigen Tatort-Teams, von denen man gern noch mehr sehen würde. Aber die voll aufgedrehten Mega-Episoden der letzten Zeit - "Leben, Tod, Ekstase" und "Erbarmen. Zu spät" - legen die Idee nahe, dass es vielleicht nicht um die Frage geht, wann man aufhört. Sondern wie.

Das Erste, Dienstag, 26. Dezember, 20.15 Uhr.

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