Süddeutsche Zeitung

"Schlau wie die Tagesschau":Wo Streber glänzen können

Lesezeit: 4 min

Wissen Sie, wer "Herr Minister" Elisabeth Schwarzhaupt war? Frank Plasberg präsentiert mit "Schlau wie die Tagesschau" einen vergnüglichen Ritt durch die Geschichte der Bundesrepublik. Interessant - vor allem für die Zielgruppe der "Tagesschau".

Verena Wolff

An der Universität in Hamburg gab es bis vor wenigen Jahren einen Professor, der sich vor allem in der Rundfunkgeschichte bestens auskannte. Er erfreute seine Studenten beständig mit dem schönen Satz: "Die Tagesschau könnten sie in einem dunklen Studio in Lateinisch im Schein einer Kerze lesen - und die Menschen würden trotzdem um 20 Uhr den Fernseher einschalten."

So ist es, seit 60 Jahren inzwischen: Die Tagesschau ist eine Institution im deutschen Fernsehen. Sie ist nicht nur ein feststehender Termin für Nachrichteninteressierte. Für viele Deutsche läutet sie den gemütlichen Teil des Abends ein. Immer noch. Trotz aller Angebote für unterwegs. Obwohl sie eigentlich nach wie vor Radio mit Bildern ist.

Und genauso, wie sich die Tagesschau in den vergangenen 60 Jahren nur in der Optik ein bisschen geändert hat, sind auch die Quiz-Shows im Ersten immer vor allem eines: wenig überraschend. Sie stehen und fallen mit der Auswahl und den Launen der Gäste.

Frank Plasberg hat sich auch dem Feld der Abendunterhaltung jenseits von "Hart, aber fair" etabliert - manchem ist er sogar in diesen Shows lieber denn als Ankläger am Montagabend. Nun also: "Schlau wie die Tageschau". Zwei Teams, eines bestehend aus den Moderatoren Judith Rakers und Marc Bator sowie Chefsprecher Jan Hofer. Das andere: Der von der ARD abgewanderte Jörg Pilawa, Arbeitsministerin Ursula von der Leyen und Barbara Schöneberger.

Die Aufgaben waren ein Ritt durch die deutsche Nachkriegsgeschichte, allerdings in keiner nachvollziehbaren Reihenfolge. Mal ging es um geschichtliche Ereignisse, mal um die Tagesschau selbst.

Die Tatkraft der Teams war zudem gefordert - in Spielen wie Mond-Golf, (bezugnehmend auf die vorherige Frage, welche Sportart der fünfte Amerikaner auf dem Mond ausgeübt hat) oder Nachkriegs-Campingplatz (bezugnehmend auf die Frage, welche schräge Versicherung die Allianz nach dem Krieg speziell für deutsche Urlauber im Angebot hatte).

Vergnüglich war der Abend, kein Zweifel. Für die, die gerne die Tagesschau sehen und sich für die jüngere deutsche Geschichte interessieren. Für die, die die Köpfe von Politikern der vergangenen Jahrzehnte kennen und weder bei Themen wie Geographie, Kunst oder Aktuellem abschalten. Kurz also für die, die auch bei Partys mit einem sehr breiten Allgemeinwissen, nun ja, glänzen.

Vergnüglich war der Abend auch, weil sich die ARD ihrer beliebtesten Formate bediente, die immer wieder aus der Mottenkiste gezogen werden: Tages-Dingsda etwa hieß das Erklär-Format, bei dem Kinder berühmte Persönlichkeiten beschrieben. So wie damals, als Fritz Egner sich riesiger Einschaltquoten sicher sein konnte mit seinen Dingsda-Kindern.

So Mitte Dreißig musste man schon sein, um sich auszukennen und dranzubleiben - bei manchen Fragen sogar älter. Oder mit Nischenwissen ausgestattet. Kennen Sie zum Beispiel Elisabeth Schwarzhaupt? Dr. Elisabeth Schwarzhaupt? Sie war die erste Ministerin im Kabinett Adenauer und der jungen Bundesrepublik - die nur mit Hilfe eines Sit-ins im Vorzimmer des Kanzlers installiert wurde und sich fortan mit "Herr Minister" anreden lassen musste.

Blicke hinter die Kulissen

Interessant, zumal gleich noch ein Nachkriegs-Politiker hinterhergeschoben wurde, der der Frau als Ministerin an sich die Eignung absprach: Schließlich sei die Frau ja durch die Führung ihres Haushaltes bei einer solchen Arbeit behindert. Das Kalkül ging auf: Die drei Damen in den Teams empören sich ordentlich.

Es ging um den Mauerfall und Udo Lindenberg, um das Deutschland der Nachkriegszeit und die Abschaffung der Kartoffelsorte "Linda". Es gab ein paar wenige zaghafte Blicke hinter die Kulissen der Tagesschau.

Wirklich interessant wurde es aber nur in vereinzelten Momenten - wenn etwa der frühere Sprecher Jo Brauner von seinem Dienst am 9. November 1989 erzählt. Jenem Tag, als die Mauer fiel und er die Hauptsendung zu moderieren hatte. Das sei einer der schönsten, aber auch einer der schwierigsten Tage gewesen, erinnert er sich. Große Freude habe es gegeben, "als wir alle kapiert hatten, was das eigentlich passiert ist". Gleichzeitig sei es schwer gewesen, die Contenance zu wahren - tatsächlich sei er, Brauner, nach der Sendung nach Hause gefahren, habe weiterhin alle Nachrichten geschaut und "ja, geheult wie ein Schlosshund".

Und sonst? Weiß jetzt jeder, wie die Tagesschau-Sprecher untenrum aussehen und sogar in Turnschuhen vor die Kamera treten (wie Marc Bator). Dass Ministerin von der Leyen eine vergleichsweise witzige Person ist, die immer wieder ein bisschen von sich preisgibt in solchen Shows und damit sicher die Sympathiemesser ausschlagen lässt. Dass Jörg Pilawa beim Campen eine Flasche Bier braucht und Barbara Schöneberger eigentlich auch.

Mehr Blicke hinter die Kulissen der beständigsten Sendung im deutschen Fernsehen wären spannender gewesen. So hätte es auch unter dem Titel "60 Jahre Bundesrepublik - Ein Quiz mit Tagesschau" laufen können.

Fortsetzung mit Gottschalk und Jauch

Der Wettbewerb an sich kam manchmal ein bisschen rüber wie Schule - in der der eine was weiß, der andere es aber sagt. In der manchmal auch der die Nase vorn hat, der geschickter täuscht. Und wo es Streber gibt und solche, die die ganze Angelegenheit eher locker sehen.

Der Vollständigkeit halber sei gesagt, dass die Tagesschau-Sprecher das Duell gewonnen haben, dank eines furiosen Endspurts von Turnschuhträger Bator. Aber gleichzeitig waren sie so fair, die erspielten 60.000 Euro für einen guten Zweck unter allen Kandidaten zu verteilen. Plasberg moderierte sich geschickt durch die verschiedenen Stränge, foppte den Kollegen Pilawa und hielt sich ansonsten eher zurück mit seinem "Bergischen Charme", über den er sagt, er könne halt nicht anders.

Am Ostersamstag gibt es einen zweiten Teil der Quiz-Show. Dann unter anderem mit Günther Jauch und Thomas Gottschalk als Kandidaten. Das kann richtig heiter werden.

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