Süddeutsche Zeitung

Medien vor der Bundestagswahl:Freundliche Übernahme

Lesezeit: 3 min

Beinahe wäre der Kanal von RTL Aktuell von der CDU gesteuert worden. Dieses und andere Missgeschicke im Medienwahlkampf.

Von Aurelie von Blazekovic

Es ist ein bisschen so, als würden Mitarbeiter der CDU die Gelegenheit bekommen, für ein paar Stunden die Sendezentrale von RTL zu übernehmen. Fast passiert, gerade noch die Notbremse gezogen, nicht im Fernsehen, aber im Fotonetzwerk Instagram.

Am Mittwoch kündigten die beiden Betreiberinnen des maximal mittelgut besuchten Instagram-Kanals @insta.politik in einem Post an, am Donnerstag das Instagram-Profil von RTL Aktuell zu übernehmen. Popcorn-Emoji. So weit, so üblich auf den sozialen Medien, wo große Kanäle mit solchen Take-overs anderen Leuten für begrenzte Zeit das Ruder übergeben und damit gegenseitig füreinander Werbung machen. Nicht aber, wenn der eine Account zu einem Sender gehört und der andere zwei Mitarbeiterinnen der CDU auf eher geheimer Mission.

Der Account mit 15 000-Followern wird von "Nine und Lara" betrieben, so steht es in der Selbstbeschreibung auf Instagram. Die beiden wollen ihre Follower "hinter die Kulissen des Bundestages" mitnehmen. "Privater Erkläraccount" steht dort auch. Dass die Betreiberinnen, mit vollen Namen Janine Klose und Lara Urbaniak, beide bei der CDU tätig sind, steht nirgends. Urbaniak ist Referentin in der CDU-Pressestelle und Klose wissenschaftliche Mitarbeiterin im Büro des CDU-Bundestagsabgeordneten Patrick Sensburg. Das war offenbar auch bei RTL niemandem klar: Um ein Haar wäre der Kanal der Nachrichtensendung RTL Aktuell für einen Tag von der CDU-Pressestelle gesteuert worden.

"Die Chefredaktion hat leider erst spät von den geplanten Takeovers erfahren."

Die Chefredaktion von RTL ist offenbar erst durch die Empörung am Mittwoch auf Twitter aufmerksam geworden. Am Donnerstag sagte RTL die Übernahme ab: "Das Takeover wird nicht stattfinden. Es gibt grundsätzlich keine Übernahme unserer journalistischen Kanäle." Es handle sich um einen Fehler im "Social Team".

Offensichtlich waren zuvor mehrere Übernahmen geplant gewesen, der Journalist Daniel Bröckerhoff ist nach eigenen Angaben ebenfalls angefragt worden. Eine RTL-Sprecherin sagt auf SZ-Anfrage: "Das Social Team ist im engen Austausch mit den Redaktionen, arbeitet aber im Tagesgeschäft weitestgehend selbständig. In diesem Fall hat die Chefredaktion leider erst spät von den geplanten Takeovers erfahren und diese dann sofort gestoppt."

Der Deutsche Journalistenverband (DJV) ließ nicht lang auf sich warten und applaudierte der Entscheidung. Es sei unverständlich, wie man auf so eine Idee komme - noch dazu in der heißen Phase des Bundestagswahlkampfs.

Und während man sich bei RTL nun bemühen muss, den Verdacht der CDU-Nähe auszuräumen, hat der WDR Ärger mit den Liberalen. Grund ist die Wissenschaftssendung Quarks, in der die geplante Klimapolitik der Parteien miteinander verglichen wird. Geprüft wird in einem Beitrag, wie sich mit den einzelnen Wahlprogrammen die Pariser Klimaziele erreichen lassen. Das Fazit nach etwa zwanzig Minuten ausführlicher Erklärung: Eigentlich hat keines der Programme Chancen darauf, die 1,5-Grad-Grenze rechtzeitig einzuhalten. Nur folgt dann das dicke Ende.

Hat da ein Ergebnis nicht ins Weltbild einer Redaktion gepasst?

Darin ist ein Ranking der Parteien nach ihren grünen Verdiensten zu sehen. Bewertet wird, welche Partei am nächsten an die Pariser Klimaziele kommt. Auf Platz sechs landet die AfD, die aus dem Abkommen austreten möchte. Auf Platz fünf die CDU, auf Platz vier die SPD, an dritter Stelle die Grünen, an zweiter die Linke. Unerwartete Siegerin wird die FDP. Denn, das erfährt man im Beitrag: Würde die ihre Pläne zu einem einheitlichen CO₂-Preis über alle Sektoren wahr machen, müssten Kohlekraftwerke schnell abgeschaltet werden. Damit wäre man Quarks zufolge der Klimaneutralität sehr viel näher, würde aber auch ein Stromversorgungsproblem bekommen. Schnitt, Urteil der Moderatorin: "Wir bezweifeln, dass sie das tatsächlich tun wird." Und schwupps, fällt die FDP im Quarks-Ranking vom ersten auf den vorletzten Platz.

Die Szene wirkt in ihrer Abruptheit fast schon komödiantisch. Obwohl Quarks eigentlich einen übersichtlichen und informativen Beitrag geliefert hat, muss das Format sich mit diesem Ende den Vorwurf gefallen lassen: Hat da ein Ergebnis nicht ins Weltbild einer Redaktion gepasst?

Der WDR sagt der SZ dazu: Die Einordnung am Ende des Videos kommentiere, wie realistisch die Durchführung der politischen Schritte ist, und basiere auf Einschätzung mehrerer Expertinnen und Experten, mit denen die Quarks-Redaktion ausführlich gesprochen habe. "Die Redaktion bedauert sehr, dies nicht eindeutig genug kenntlich gemacht zu haben. Zudem erkennen wir, dass in diesem sachlichen Beitrag sowohl die Form eines Rankings als auch die Abwertung einer einzelnen Partei innerhalb des Rankings unpassend war."

Bleibt abzuwarten, wie der restliche Medienwahlkampf verläuft. In drei Wochen kann eine Menge passieren.

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