Süddeutsche Zeitung

News-of-the-World-Affäre:Unter ein paar faulen Äpfeln

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Großbritanniens Konservative Partei wird vorgeworfen, lange Zeit zu eng mit Rupert Murdochs Medien kooperiert zu haben. Nun wirbt der Medientycoon ausgerechnet Guto Harri ab, den Berater von Londons Bürgermeister Boris Johnson. Und der will seine neue Aufgabe ganz missionarisch angehen.

Christian Zaschke, London

Es ist einer der schwierigsten Jobs in der britischen Medienwelt, doch Guto Harri übernimmt ihn mit Freude: Der 46 Jahre alte Journalist und Berater wird Kommunikationschef von News International (NI), dem Unternehmen, das für das britische Zeitungsgeschäft des Medienunternehmers Rupert Murdoch verantwortlich ist.

Pikant an der Ernennung Harris ist sein vorheriger Job: Er war bis vor zwei Wochen Medienberater von Londons konservativem Bürgermeister Boris Johnson. Die Konservative Partei sieht sich starker Kritik ausgesetzt, weil sie lange eine übergroße Nähe zu den von Rupert Murdoch kontrollierten Medien unterhielt. Dass nun ein hochrangiger Mitarbeiter der Partei bei Murdoch einsteigt, um das Image von dessen Firma aufzupolieren, wird diese Kritik voraussichtlich eher nicht zum Verstummen bringen.

Der Ruf von NI ist durch den britischen Abhörskandal gründlich ruiniert. Mitarbeiter von Murdochs inzwischen eingestelltem Boulevardblatt News of the World hatten jahrelang die Telefone von Prominenten und Opfern von Verbrechen abgehört. Zudem ermittelt die Polizei gegen Mitarbeiter der Sun wegen Bestechung von Amtsträgern. Selbst die angesehene Times, die ebenfalls Murdoch gehört, sieht sich dem Vorwurf ausgesetzt, in einem Fall ein E-Mail-Konto gehackt zu haben.

Die weitreichenden Verfehlungen der Murdoch-Blätter haben in Großbritannien vor einem Jahr eine grundsätzliche Diskussion über die Rolle der Medien angestoßen, die immer noch geführt wird. Seit Herbst beschäftigt sich zudem ein unabhängiger Untersuchungsausschuss mit der Ethik der Presse sowie dem Verhältnis von Medien, Politik und Polizei. Besonders der konservative Kulturminister Jeremy Hunt ist zuletzt durch die Arbeit dieses Ausschusses unter Druck geraten, weil einer seiner Berater extreme Nähe zu Murdoch-Leuten pflegte.

Vor diesem Hintergrund wirkt Harris Wechsel von Boris Johnson, dem derzeit wohl populärsten Tory, zu Rupert Murdoch, dem derzeit unpopulärsten Medienunternehmer des Landes, mindestens bemerkenswert. Harri sagte dem Guardian, niemand in der Partei habe versucht, ihm den Wechsel auszureden: "Boris (Johnson) hat versucht, mich im Rathaus zu halten und nicht, mir vorzuschreiben, wo ich hingehen soll. Für ihn ging es nur darum, ob ich bleibe oder nicht."

Bevor er sich Johnsons Team anschloss, arbeitete Harri 18 Jahre lang sehr erfolgreich als Journalist, unter anderem war er Reporter und politischer Chefkorrespondent der BBC. 2007 war er als Sprecher des heutigen Premierministers David Cameron im Gespräch. Cameron entschied sich jedoch für den ehemaligen Murdoch-Mann Andy Coulson. Der musste Anfang des vergangenen Jahres zurücktreten, weil während seiner Zeit als Chefredakteur der News of the World Telefone gehackt wurden.

Coulson bestreitet, davon gewusst zu haben. Nachdem Harri den Job bei Cameron nicht bekam, schloss er sich Johnson an, der als größter parteiinterner Rivale des Premiers gilt.

In seinem neuen Job will Guto Harri nun "die Hysterie bekämpfen", die sich in der britischen Öffentlichkeit breitgemacht habe: "Nicht jeder Politiker ist korrupt, nicht jeder Banker streicht riesige Boni ein, und nicht jeder bei News International war am Hacken von Telefonen beteiligt", sagte er dem Guardian. Harri führte aus, er kenne Mitarbeiter der Sun und der Times, und diese seien erstklassige Journalisten. Diejenigen, die am Abhörskandal beteiligt waren, nannte er "ein paar faule Äpfel" - es sei falsch, von ihnen auf das gesamte Unternehmen zu schließen.

Seine erste Dienstreise führt Guto Harri in dieser Woche nach New York, dem Hauptsitz von Rupert Murdochs weltweit operierendem Medien-Konzern News Corp. Es wird erwartet, dass er den Chef persönlich trifft, um Instruktionen entgegenzunehmen.

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Quelle:
SZ vom 22.05.2012
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