Süddeutsche Zeitung

Gottschalk-Geburtstag bei RTL:Altherrenwitze, die nicht sterben wollen

Lesezeit: 3 min

Thomas Gottschalk ist jetzt 65, sein Humor vermutlich noch älter. RTL lässt es sich nicht nehmen, beide zu feiern. Die peinlichste Nummer zumindest wird im letzten Moment noch abgesagt.

Von Ruth Schneeberger, Berlin

Was äußerst unvorteilhaft aussähe bei RTL, erzählt der Anheizer dem Publikum im Berliner Admiralspalast, wäre, wenn die Sitzreihen in der Mitte leer blieben. Also sollten doch bitte alle einmal schön zusammenrücken, damit die Kameras fürs Fernsehen volle Reihen filmen könnten an diesem Montagabend. Stimmung!

Dem Publikum scheint das wenig auszumachen, für ihr großes Idol rücken sie gerne zusammen: Ältere Herren in Lederjacken, die Damen haben sich ein bisschen schick gemacht. Aber nicht zu viel, wir sind schließlich in Berlin, und gefeiert werden soll an diesem Abend ja auch einer, dem ein Hollywoodschauspieler öffentlich eine "Oma-Frisur" attestiert.

Das war dann auch schon der Humor-Höhepunkt dieser "Herbstblond"-Veranstaltung, dass US-Komiker Kevin James den Jubilar per Videobotschaft für dessen "Oma-Frisur" disst. Ansonsten gerät "Gottschalks große Geburtstagsparty", die bei RTL live übertragen wurde, zu einem Marathon der Langeweile.

Doch keine Brüste für Gottschalk

Wie das so ist, wenn Opa 65 wird, treten alte Weggefährten auf, um zu gratulieren. Bei Gottschalk sind das Otto Waalkes als Bandleader, Hugo Egon Balder als Barkeeper und Mike Krüger als zweite "Supernase". Viel zu sagen hat niemand, eher wird öffentlich in Erinnerungen geschwelgt und viel alte Musik gespielt, zu der Gottschalk hölzern über die Bühne wippt. Immerhin passt seine lederne Zirkusjacke perfekt zur braunen Ledersofagarnitur unterm Kronleuchter, auf der weitere Grinse-Blondinen (Lena Gercke, Michelle Hunziker, Til Schweiger) sitzen und Geburtstagsstimmung verbreiten sollen.

Aufhübschen will RTL den Gratulationsreigen durch Prominenz aus Amerika, die ist allerdings nur per Videobotschaft zu sehen. Als Erste ruft Cher an, das immerhin noch live. Auf dem Bildschirm erscheinen später unter anderem die Gratulanten Terence Hill, der seine Waffe zeigt, und Arnold Schwarzenegger, der seine Muttersprache offenbar verlernt hat und auf Englisch plaudert. Das Geburtstagskind nimmt alle Glückwünsche strahlend entgegen, der Zuschauer darf sich an dieser Stelle fragen, wen das interessieren soll außer Gottschalk selbst.

So weit, so unspektakulär, so erwartbar. Wie sich herausstellte, war dieser "Herbstblond"-Abend allerdings noch die erträglichere Variante dessen, was eigentlich geplant war: Um die Show aufzupeppen, hätte Hugo Egon Balder auf der Bühne jungen Damen in Hotpants die BHs zerschneiden sollen.

Man erinnere sich: Balder, "Tutti Frutti", barbusige Damen, das waren die üblen Anfänge von RTL in den frühen 90er Jahren. Damals war der Altherrenwitz auf der Bühne noch salonfähig, und offenbar hat beim Sender niemand gemerkt, dass das nicht mehr so ist - auch nicht, wenn Gottschalk Geburtstag feiert. Und so machte am Mittwochnachmittag eine Stellenanzeige über die sozialen Netzwerke die Runde, die Hostessen suchte. Die Aufgabe: für 220 Euro "20 Minuten auf der Bühne zu stehen und hübsch auszusehen". Und sich die nackten Brüste mit Bildern von Filmszenen bekleben zu lassen, die Thomas Gottschalk erraten sollte.

Auf Nachfrage der Süddeutschen Zeitung, ob das Angebot ernst gemeint sei, hieß es am Nachmittag bei der Agentur noch: Klar, wieso nicht? Im Netz wurde über die "sexistische Kackscheiße" geschimpft, letztlich wurde die Nummer doch noch aus dem Programm genommen. Gottschalk wird mit den Worten zitiert, dass er nicht von der Überraschung gewusst habe und "dankend verzichte".

So ist das mit dem Altherrenwitz, den Gottschalk selbst auf der Bühne jahrzehntelang zelebrierte. Es gibt ihn noch, richtig gefragt ist er aber nicht mehr. Der Jubilar zeigte an diesem Abend, dass wenn er könnte, er immer noch loslegen wollen würde: Die ganzen Promi-Damen, denen er in so vielen Jahren "Wetten, dass..?" die Hand aufs Knie legte, die hätten das ja gern gehabt, die wären sogar dankbar dafür gewesen, plauderte "Tommy" aus dem Show-Nähkästchen. Am Tag zuvor waren Journalisten noch zu einer Pressekonferenz geladen worden, auf der Gottschalk einmal mehr verkündete, dass er auch gerne wieder "Wetten, dass..?" moderieren würde, zumindest als Jubiläumsausgabe. Er stünde zur Verfügung.

Barbara Schöneberger gibt sich Mühe, nicht allzu giftig zu sein

Den Abend retten musste dann mal wieder Barbara Schöneberger. Anders als viele andere Shownasen lebt sie das anarchistische Element auf der Bühne nicht bemüht aus, sondern unterdrückt es. Sie hat es im Griff, aber einzelne Spitzen müssen einfach raus.

Gottschalk muss sich anstrengen, noch ein bisschen spritzig zu sein - Schöneberger gibt sich Mühe, nicht zu viel Gift zu versprühen. Als Gottschalk zum Beispiel nicht mehr weiß, wie noch dieser Moderator heißt, der mit dem dicken Hals, der jetzt nicht mehr so gefragt sei, da sagt Schöneberger: "Da fielen mir jetzt gleich mehrere ein."

Das bekommt aber im Saal niemand mit, weil so inbrünstig geschunkelt wird. Nostalgie ist doch was Feines.

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