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Finale von "Breaking Bad":Der letzte Straßenfeger

Lesezeit: 4 min

"Breaking Bad" ist womöglich die letzte Serie, der es gelingt, ihre Fans zur gleichen Zeit vor der Mattscheibe zu versammeln. Weil sie so neugierig sind, weil sie sonst Spoiler fürchten - weil es die beste Serie in der Geschichte ist. Falls das Ende stimmt. Nun fiebern Millionen Fans dem Finale am Sonntag entgegen.

Von Jürgen Schmieder, Los Angeles

Auf den Partys nach der Verleihung der Primetime Emmy Awards in Los Angeles erzählten sich die Menschen immer wieder den gleichen Witz: Viele Nominierte und Preisträger seien deshalb nicht ins Nokia Theater gekommen, weil sie stattdessen die vorletzte Folge von Breaking Bad geguckt haben, die zeitgleich auf dem Sender AMC lief. Zusatzpointe des Scherzes: Natürlich seien Verantwortlichen von Breaking Bad da, um ihren Preis für die beste Drama-Serie des Jahres abzuholen - sie wissen ja, wie die Geschichte um Walter White ausgeht.

"Breaking Bad" ist eines der letzten großen TV-Events des amerikanischen Fernsehens, die nichts mit Sport zu tun haben. Die vorletzte Folge "Granite State" sahen live 6,6 Millionen Zuschauer - und das, obwohl die Episode gegen die Emmy-Verleihung, die letzte Folge der Serie Dexter und das Sonntag-Abend-Spiel der National Football League antreten musste. Über Video on Demand und Internetanbieter kamen am gleichen Abend noch einmal fast neun Millionen Zuschauer dazu. Natürlich sind die Zeiten vorbei, in der wie beim Ende der Serie M.A.S.H. 1983 etwa 106 Millionen Menschen vor dem Fernseher sitzen. Doch für das Breaking-Bad-Finale werden immerhin etwa 18 Millionen Zuseher (mehr als acht Millionen live, dazu knapp zehn Millionen noch am selben Abend per Aufzeichnung) erwartet.

In einer Zeit, in der das Ende des klassischen Fernsehprogramms proklamiert und eine Ära des Hintereinanderwegguckens prophezeit wird, ist Breaking Bad ein sonntagabendlicher Pflichttermin geblieben. Internetsender Netflix stellt bei House of Cards alle Folgen einer Staffel sogleich zur Verfügung, New Girl, Modern Family und How I Met Your Mother sehen mittlerweile mehr Menschen als Aufzeichnung denn zum Ausstrahlungszeitpunkt.

Doch nicht Breaking Bad! Walter White aka Heisenberg aka Mr Lambert wartet nicht auf Zuschauer. Um es mit seinen wohl bekanntesten Worten zu sagen: "Du hast eindeutig keine Ahnung, mit wem Du redest, also lass mich Dir einen Tipp geben: Ich bin die Gefahr! Ein Mann öffnet seine Tür und wird erschossen - und Du denkst, dass ich das bin? Nein! Ich bin der, der an die Tür klopft!"

Die Serie wird sonntags um 21 Uhr auf dem Sender AMC ausgestrahlt - und wer sie bis Montagmorgen nicht gesehen hat, der muss im Büro, in der Vorlesung oder im Internet damit rechnen, dass die Menschen über eine Folge diskutieren und alles verraten. Mittlerweile können die deutschen Fans die Serie ein paar Tage nach der amerikanischen Ausstrahlung sehen - bei Breaking Bad ist das schon eine zu lange Verzögerung, weshalb es mittlerweile Apps wie "Spoiler Foiler" gibt, die alle Tweets von der Twitter-Timeline schwärzen, die mit der Serie zu tun haben. Die funktionieren allerdings nur bedingt.

Breaking Bad ist womöglich die letzte Fernsehserie, der es gelingt, ihre Fans zur selben Uhrzeit vor der Mattscheibe zu versammeln - weil sie womöglich die beste Serie in der Geschichte ist. Im "Guinness Buch der Rekorde" ist sie bereits vermerkt als Show mit den besten Kritiken, die Homepage Metacritic wertet die Sendung mit 99 von 100 Punkten.

Was mit I love Lucy im Jahr 1951 begann und mit The Andy Griffith Show (60er Jahre), All in the Family, The Mary Tyler Moore Show, M.A.S.H. ( alle 70er Jahre), The Cosby Show (80er Jahre), The X-Files, Buffy the Vampire Slayer (beide 90er), The Sopranos und The Wire (beide 2000er) fortgeführt wurde, findet in der Geschichte um den zum Drogenlord gewandelten Chemielehrer sein Ende.

Das passt, denn jede dieser äußerst erfolgreichen Fernsehsendungen war in gewisser Weise ein Produkt ihrer Zeit: In den 50ern und 60ern wurde die heile Welt des amerikanischen Traums verklärt, später folgten das Portrait einer unabhängigen Karrierefrau und das einer afro-amerikanischen Mittelklassefamilie, dazu gab es die tragische und doch lustige Geschichte über Ärzte im Krieg. Danach ein Loblied auf die Nerds der 90er, schließlich wurde der amerikanische Traum in Frage gestellt - und nun wird er in Breaking Bad umgekehrt: Was, wenn es für Dich keinen Aufstieg vom Tellerwäscher zum Millionär gibt - sondern nur einen vom Chemielehrer zum Drogenboss?

Genau deshalb ist das Ende auch essentiell für das Vermächtnis der Serie. Mary Tyler Moore knipste dereinst einfach das Licht aus, Dexter (Achtung, Spoiler!) kam in der vergangenen Woche lebendig davon und empfang zum ersten Mal Gefühle - und noch immer weiß kein Mensch, was aus Tony Soprano geworden ist. Showrunner Vince Gilligan muss einige Rätsel auflösen (die Giftpille, das Maschinengewehr im Kofferraum), er muss aber vor allem zeigen, was am Ende der Pervertierung des amerikanischen Traums wartet: Was passiert mit einem Menschen, der sich dazu entschließt, abgrundtief böse zu sein?

Die Verantwortlichen sind sich der Wirkung der Serie wohl bewusst, das Finale am kommenden Samstag wird zu einem TV-Ereignis stilisiert wie sonst nur die Übertragung des Football-Endspiels - ein 30 Sekunden dauernder Werbespot kostet 250.000 US-Dollar. Seit Mittwoch zeigt AMC einen Marathon aller bisher ausgestrahlten Folgen, damit auch Neulinge noch aufholen können. Die aktuelle Staffel wird am Sonntag tagsüber noch einmal komplett laufen - um 21 Uhr folgt dann das 75 Minuten dauernde Finale. Danach werden die Showrunner Vince Gilligan und Aaron Paul die Serie diskutieren.

Auch die Darsteller waren bei der Emmy-Verleihung darauf bedacht, noch einmal Neugier zu schüren auf das Finale einer Fernsehserie, die als beste der Geschichte gelten wird - wenn das Ende stimmt. "Ihr glaubt, dass es jetzt schon ziemlich schmutzig ist", sagte Aaron Paul abseits der großen Bühne: "Es wird noch viel verrückter. Ihr habt keine Vorstellung!"

Bryan Cranston, Darsteller von Walter White, sagte nur, dass die Fans der Serie "Befriedigung" spüren und sich freuen würden: "Es endet ohne Entschuldigung und damit sehr angebracht und so, wie Breaking Bad sein muss." Der Schauspieler hat sich in Erinnerung an seine Rolle die Zeichen "Br" und "Ba" auf seine Hand tätowieren lassen. Er hat einmal gesagt, dass ihm als Ende gefallen würde, wenn Walter White in ein Zeugenschutzprogramm aufgenommen und zum neurotischen Hal aus Malcolm in the Middle würde. Diese Figur verkörperte Cranston einst.

Das wird wohl nicht passieren - sagt zumindest Showrunner Vince Gilligan. Walter White wird noch ein Mal an die Tür klopfen. Dann ist es vorbei. Für immer.

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