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"Skins" bei Netflix:Mit Haut und Haarspray

Lesezeit: 2 min

Als "Skins" 2007 ins britische Fernsehen kam, empörten sich viele: zu viel Sex, Drogen, psychische Krankheiten, Religionskonflikte und Alkohol. Jetzt zeigt Netflix die Teenieserie.

TV-Kritik von Karoline Meta Beisel

Effy sieht genau so aus, wie man als Vater oder Mutter vermutlich nicht möchte, dass die halbwüchsige Tochter aussieht: Über dem Bund ihres Schottenminirocks schaut der Saum einer pinken Kleinmädchenunterhose heraus, dazu trägt sie ein bauchfreies Oberteil, hochhackige Stiefeletten und Netzstrümpfe. Offenbar hat sie eine harte Nacht hinter sich, als sie am frühen Morgen die Straße entlangstöckelt: Die Wimperntusche ist verwischt, der Lippenstift verschmiert. Wäre das hier öffentlich-rechtliches Fernsehen, müsste jetzt schnell jemand kommen, der Effy den rechten Weg weist. Aber das hier ist Skins. Hier gibt es keinen Retter, nur Tony.

Als der seine kleine Schwester vor der Haustür sieht, lockt er seinen Vater mit lauter Musik vor seine eigene Zimmertür und lässt ihn dort zetern, bis Effy hinter seinem Rücken in ihrem Kinderzimmer verschwunden ist. Erwachsene, das ist sofort klar, haben im Leben von Effy und Tony nichts zu sagen.

Streamingdienste wie Netflix oder Amazon haben den Zuschauern in den vergangenen Jahren mit der Möglichkeit, epische TV-Serien in einem Rutsch wegzugucken, eine ganz neue Art fernzusehen beigebracht. Aber sie sind noch für etwas anderes gut: alte Ware, die im herkömmlichen Fernsehen keine rechte Chance hatte, einem neuen Publikum zugänglich zu machen. So kommt es, dass die Teenieserie Skins, die in England bis 2013 sieben Staffeln lang lief und in Deutschland irgendwie nie richtig angekommen ist, seit Kurzem auf Netflix zu sehen ist.

Als Skins - wie dünnes Zigarettenpapier in England heißt - im Jahr 2007 dort ins Fernsehen kam, empörten sich viele, weil die Serie für ein Jugendprogramm wirklich sehr viel Sex, Drogen, psychische Krankheiten, Religionskonflikte und Alkohol enthielt. Eine US-Adaption bekam gar das Siegel "frei ab 17", und wurde schnell wieder abgesetzt, weil viele große Werbepartner lieber nicht mit der Serie in Verbindung gebracht werden wollten.

Die Autoren waren kaum älter als ihre Darsteller

Das englische Original war aber noch aus anderen Gründen bemerkenswert. Die Schauspieler wurden mehr oder weniger vom Schulhof weggecastet, und erstaunlich viele aus diesem kleinen Ensemble haben es später zu Ruhm gebracht.

Hauptdarsteller Nicholas Hoult war gerade mal 16, als er in Skins den Tony spielte. Heute ist er in der Neuauflage von Mad Max und den X-Men-Filmen zu sehen. Dev Patel spielte in Skins einen Jungen, der zwischen seiner streng muslimischen Erziehung und Hormonstau fast zerrieben wird - und später in einem achtfach oscarprämierten Film namens Slumdog Millionaire. Hannah Murray und Joe Dempsie gehören zur Stammbesetzung von Game of Thrones. Jack O'Connell gilt nach Rollen in Angelina Jolies Unbroken und dem hochgelobten Knastfilm Starred Up als eines der größten Talente in Hollywood. Und Kaya Scodelario, die mit gerade mal 14 die leicht bekleidete Effy spielte, ist derzeit in der düsteren Maze -Runner-Teenie-Trilogie zu sehen und hat im kommenden Fluch der Karibik die weibliche Hauptrolle übernommen.

Was fast noch erstaunlicher ist: Die Autoren der Serie waren kaum älter als ihre Darsteller, nämlich im Durchschnitt 21 Jahre alt. Man gab diesen jungen Leuten Berater an die Hand - und zwar noch jüngere, um dichter dran zu sein am Teenie-Drama.

Was natürlich nicht heißt, dass alles total realistisch wäre, was es in Skins zu sehen gibt. Nicholas Hoult rechtfertigte die teilweise extremen Geschichten, das sei ja nicht echt, sondern Fernsehen. Auch wenn man damals noch etwas anderes darunter verstand.

Skins, auf Netflix.

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Quelle:
SZ vom 18.12.2015
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