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Anne Will zu den Landtagswahlen:Endlich eine Talksendung, in der es nicht wieder um die AfD geht

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Scholz redet sich die SPD-Ergebnisse schön. CDU-Ex-Minister de Maizière und Grünen-Vorsitzender Habeck diskutieren über die Maskenaffäre. Nur von einer Partei ist bei Anne Will kaum die Rede.

Von Joachim Käppner

In der SPD gibt es heute viele, die nichts Gutes zu sagen haben über Gerhard Schröder, obwohl oder vielleicht gerade weil er es im Kreuz hatte, noch Mehrheiten für die Partei zu sammeln. Aber lassen wir das lieber. Was man Schröder jedenfalls nicht vorwerfen konnte: dass er sich verlorene Wahlen am Abend im Fernsehen schöngeredet hätte. Es war eher nicht seine Art zu behaupten, dass eine Niederlage gemessen an den Kommunalwahlen von 1928 doch so schlecht auch wieder nicht sei ...

Doch leider, die meisten Politiker haben die Kunst perfektioniert, vor einer staunenden Öffentlichkeit selbst aus einem Wahldesaster nur Gutes herauszulesen; manchmal erinnern sie dabei an berauschte keltische Druiden, die nach einem Blick in die Eingeweide eines Opferstiers den Sieg über Cäsar prophezeien, während dessen Legionen bereits das Land besetzen. Schon am Wahlabend hatte Andreas Stoch, Spitzenkandidat der baden-württembergischen SPD, das üble Abschneiden seiner Partei damit zu relativieren versucht, dass Corona "den Wahlkampf fast unmöglich gemacht" habe - gemeinerweise offenbar nur den der SPD im Südwesten.

Bei Anne Will in der ARD war es dann SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz, der am Sonntagabend aus dem Sieg seiner Partei in Rheinland-Pfalz (und unter großzügiger Auslassung des Debakels in Baden-Württemberg) einen neuen Frühling der Sozialdemokratie machen wollte und viel lieber über die gerupfte Union gesprochen hätte. Doch fand er in der Leiterin der Akademie für Politische Bildung Tutzing, Ursula Münch, eine scharfzüngige Kontrahentin, die sich mit Wahl-Plattitüden nicht zufriedengab. Ob die Wahl von Malu Dreyer in Mainz nicht gerade zeige, dass "man mit extremen Positionen keine Wahlen gewinnt", die würden eben in der Mitte gewonnen. Und das, so die Politikwissenschaftlerin mit boshaftem Verweis auf die weit nach links gerutschte SPD-Parteiführung, müsse einen moderaten Mann wie Olaf Scholz "doch eigentlich freuen", nicht wahr? Der Kandidat ist Profi genug, um jeder konkreten Antwort auszuweichen. Aber man fragt sich doch manchmal, warum ein an sich so kompetenter Politiker wie Scholz überhaupt an einer solchen Sendung teilnimmt, wenn er erkennbar nicht die Absicht hat, dort etwas von Substanz vorzubringen.

Aber es war dennoch keine schlechte Sendung an diesem Wahlabend. Es ging inhaltlich vor allem zwischen dem früheren CDU-Minister Thomas de Maizière und dem Grünen-Vorsitzenden Robert Habeck um die Vertrauenskrise von CDU/CSU nach den jüngsten Bereicherungsskandalen von Unionsabgeordneten. De Maizière, dessen Partei bei der Offenlegung von Nebeneinkünften stets gebremst hatte, tat sich da nicht leicht. Über Parteigrenzen hinweg war jedoch die Besorgnis spürbar, dass die Raffzähne das Vertrauen in die Demokratie untergraben, und hier endlich fand auch Scholz zu begrüßenswerter inhaltlicher Klarheit. Nebeneinkünfte von Parlamentariern müssten glasklar transparent werden: "Das ist der einzige Ausweg aus dieser Sache."

Christiane Hoffmann aus dem Hauptstadt-Büro des Spiegels fand noch einen weiteren Pluspunkt dieser Debatte: Dies sei hier und heute endlich einmal eine Talksendung, in der es nicht schon wieder um die AfD gehe. Und recht hatte sie. Mehr davon.

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