Süddeutsche Zeitung

Wahlplakate:Papperlapapp

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Millionen Wahlplakate wurden gedruckt, die zum Teil immer noch hängen. Werden die jetzt einfach auf den Müll geworfen? Verbrannt? Oder schön nachhaltig recycelt?

Von Christoph Koopmann

Dieser Tage werden in Berlin wieder Koalitionen sondiert, wahlweise in Hinterzimmern oder, bei Beteiligung der Union, in der auch über Vertrauliches stets bestens informierten Bild-Zeitung. Da sprechen zum Beispiel Grüne mit Liberalen, die zuvor noch auf DIN A0 und DIN A1 mit schönen Grüßen an die Baerbocks dieser Welt "mehr Freude am Erfinden als am Verbieten" gefordert hatten. Die Grünen wiederum sollen gerüchteweise schon im sonderbaren Stadium der "Vorsondierungen" ihre angeblich unverhandelbare Wahlkampfforderung nach Tempolimit 130 für verhandelbar erklärt haben.

Die Linke hatte auf ihren Plakaten reichlich Utopien verteilt ("Waffenexporte stoppen", "Vermögensteuer"), stets versehen mit dem konkreten Zeitpunkt: "Jetzt!" Nach der Wahl aber stünde da besser: "Hilfe. Jetzt!" Die AfD wollte "Deutschland, aber normal", was immer das heißen mochte, aber die AfD wird an keiner Bundesregierung beteiligt sein, was bedeutet, dass Deutschland für sie wohl abnorm bleiben muss.

Die CDU wollte ähnlich kryptisch "Deutschland gemeinsam machen". Alleine wäre es eh schwierig geworden. Man sah auf den sehr wenigen Plakaten mit dem Konterfei des Kanzlerkandidaten immerhin einen entschlossen schauenden Armin Laschet, "damit Deutschland stark bleibt".

Wer also einige Tage nach der Bundestagswahl so durch die Straßen geht, kommt kaum umhin, die Schnelllebigkeit des politischen Betriebs zu bemerken: Was die Parteien in den Wochen und Monaten vor dem Wahlsonntag alles plakatiert hatten, wirkt auf einmal ziemlich aus der Zeit gefallen.

Die Wirkung von Wahlplakaten ist ohnehin umstritten

Einzig bei der SPD, die in ihrer Plakatkampagne beinahe ausschließlich auf Olaf Scholz gesetzt hatte (schwarz-weiß auf sozialdemokratischem Rot, Slogan: "Kanzler für Deutschland"), scheint es derzeit möglich, dass man kriegt, was versprochen worden ist. Manches blieb derweil schon auf den Plakaten so beliebig, dass man es sich gleich hätte sparen können: Der Münchner CSU-Kandidat Stephan Pilsinger etwa warb mit "Politik für die Menschen". Wollte er damit etwa sagen, die anderen würden gern Politik gegen die Menschen machen?

So hingen quer durch die Republik wieder einmal Millionen Wahlplakate (wie viele genau, lässt sich kaum seriös beziffern, da bei den meisten Parteien Tausende von Ortsverbänden fürs Plakatieren zuständig sind und diese jeweils für sich ordern), bei denen man sich durchaus fragen durfte, ob es das wirklich gebraucht und gebracht hat. Forscher der Universität Hohenheim untersuchen seit Jahren die Wirkung von Wahlplakaten und stellen fest: Umgestimmt wird dadurch jedenfalls kaum jemand, es geht vor allem ums Gesehenwerden.

Und jetzt müssen diese Millionen Wahlplakate auch wieder weg. Die Plakatierungsverordnung der Stadt München etwa verlangt, dass sämtliche Wahlplakate spätestens zwei Wochen nach dem Wahltag verschwunden sein müssen - diesen Sonntag also.

Die Großflächenplakate der Grünen sind zu 100 Prozent recyclebar

Anruf beim Bezirksverband einer Partei, die sich in München zur Wahl gestellt hat. Welche, solle hier bitte nicht stehen, sagt der freundliche Herr am Telefon. Man versuche wiederzuverwerten, was wiederzuverwerten ist: die Holzständer etwa, auf denen ein Teil der Plakate angebracht war. Einen anderen, großen Teil der Plakate müsse man entsorgen, wenn sie nach Wochen auf der Straße von Wind und Wetter in Mitleidenschaft gezogen wurden.

Ein großer Teil der Millionen Wahlplakate also landet nun wohl im Müll. Im Spiegel beklagte sich vor ein paar Tagen erst der Chef einer Recyclingfirma, dass viele Parteien ihre Plakate einfach in die Verbrennung geben würden. Mittlerweile seien schätzungsweise drei Viertel aus dem Kunststoff Polypropylen, die könne seine Firma eigentlich wunderbar recyceln, nur sei das lange nicht zu allen Ortsverbänden durchgedrungen.

Die Parteizentrale der Grünen, die qua Programm in Sachen Umweltschonung einen Ruf zu verlieren haben, richtet auf Nachfrage aus, man sei bemüht, "den ökologischen Fußabdruck des Plakatwahlkampfes so klein wie möglich zu halten" - die Partei klebt Pappplakate. Die 321 000 Stück im DIN-A0- und DIN-A1-Format besäßen einen Altpapieranteil von 97 Prozent bei drei Prozent Kunststoff zum Regenschutz, schreiben die Grünen. Die Großflächenplakate seien aus 100 Prozent recycelbarem Papier. Das könne man bis zu acht Mal aufbereiten und womöglich erneut zu Plakaten verarbeiten, nach Adam Riese also bis zum Bundestagswahlkampf 2053. Man wird sehen, ob der Plakatwahlkampf dann nachhaltiger ist. Das gilt für die Materialverwertung, aber auch für die Botschaften.

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