Süddeutsche Zeitung

"Star Wars: The Rise of Skywalker" im Kino:Du wirst mich töten, aber so will ich es

Lesezeit: 4 min

Ein guter "Star Wars"-Film muss eine gewaltige Ursprünglichkeit entwickeln. Über das Finale einer Reihe, in der die Heldenfiguren immer schon das Potenzial zur absoluten Kehrtwendung hatten.

Von Fritz Göttler

Am Ende wird Skywalker mit einem existenziellen, einem fatalen Dilemma konfrontiert. Du wirst mich töten, sagt der Imperator Palpatine, der, obwohl in Episode VI schon scheinbar endgültig aus dem Weg geräumt, nun erneut in Aktion tritt, ein Scheusal und Schreckgespenst, ein krankes, manipulatives Monster, der Inbegriff des Bösen im "Star Wars"-Universum. Du wirst mich töten, sagt er, aber so will ich es, denn mit meinem Tod wird mein ganzer Hass auf dich übergehen ... J. J. Abrams, der Mastermind hinter der dritten "Star Wars"-Trilogie, durch seine vertrackten, vielschichtigen TV-Serien berühmt geworden, hat recht gut kapiert, was George Lucas' Schöpfung so erfolgreich gemacht hat über Jahrzehnte und Generationen hinweg. Dass jeder einzelne Film, anders als die bis zur Drögheit repetitiven Serien, wieder aufs Neue eine gewaltige Ursprünglichkeit entwickeln, Aufbruch, Frische, neue Chance versprechen muss, so wie damals, als der junge George Lucas vom Erfolg seines ersten "Star Wars"-Films völlig überrascht wurde.

Die Geschichte, wie er in einem Café saß und sich wunderte, dass auf dem Gehsteig gegenüber eine riesige Schlange sich vor einem Kino formierte, und erst langsam merkte, dass die Leute vor seinem eigenen Film anstanden, gehört zu den schönsten Episoden in der Mythologie des jungen Hollywood. Der Zauber, der diesem Beginn innewohnt, war immer triumphal, und die wuchtigen Klänge, die John Williams ihm unterlegte, sind über die Jahrzehnte geblieben. Die Heldin Rey (Daisy Ridley) springt nun also wieder mit neuer Energie durch Wälder und über Schluchten, ohne von der Schwerkraft eingeschränkt zu sein. David Benioff und D. B. Weiss, die Masterminds von "Game of Thrones", haben es vor Kurzem aufgegeben, ein weiteres "Star Wars"-Paket zu entwickeln, das da nachkommen könnte. Sie sind lieber zu Netflix weitergezogen.

"Star Wars"-Filme schlagen nicht plötzlich beim Publikum auf, das Gleiche gilt für James Bond oder Harry Potter oder die "Avengers", sie entwickeln vom ersten Teaser an ein Erwartungspotenzial, das in den sozialen Medien und auch in den Zeitungen sofort Spekulation, Verwunderung, Kritik erregt. Was ist mit dem Imperator, wieso spricht er plötzlich mit der Stimme des Supreme Leaders Snoke oder jener von Darth Vader? Was ist das für eine Beziehung zwischen den dynamischen Freiheitskämpfern, gespielt von Oscar Isaac und John Boyega, und den Frauen um sie herum? Was hat es mit dem letzten Blick auf sich, den der Androide C-3PO noch einmal auf die um ihn versammelten Freunde werfen will? Und am wichtigsten: Welches Geheimnis gibt es um die Abstammung von Rey?

In die Wüste kehrten all die Filme der Saga immer wieder zurück, die Wüste, die ein philosophisch und psychologisch gründlich untersuchter Ort der Selbsterforschung und -erkenntnis, der Initiation ist. Hier werden Beziehungen geprüft und variiert, Freundschaften erneuert, Familienstrukturen überraschend entdeckt, die eigene Stärke erprobt. (Wie solche Initiationsriten sich verändern, wenn nicht Burschen und Männer sich ihnen unterziehen, sondern eine Frau, das wird man an diesem Film studieren können.)

Die Zeit der Einzelkämpfer ist, nicht nur im Hollywood der "Avengers", vorbei

Diese Wüsten-Momente bilden das Herz des "Star Wars"-Universums, in den Schlachten mit ihren gigantischen Raumschiffen gibt's dagegen einfach zu viel Leerlauf. Manchmal purzeln dann die niedergestreckten Sturmtruppler ins Bild wie in einem Slapstick-Ballett.

Die Endgültigkeit, die im dritten Teil einer Trilogie von Anfang an droht, verzerrt auch hier die Dimensionen. Aus dem First Order des bösen Imperiums ist nun der Final Order geworden, der rüstet zum definitiven Endkampf. Der Imperator setzt seinem Vasallen Kylo Ren gehörig zu, Adam Driver gibt dieser Figur pflichtschuldigst eine Dimension intensiver Seelenqual: "I have been every voice you ever heard inside your head" - Ich war jede Stimme, die du je in deinem Kopf gehört hast. Aber die großen "Star Wars"-Heldenfiguren hatten immer schon das Potenzial zur absoluten Kehrtwendung. Für Kylo Ren wird im Kampf die Farbe seines Laserschwerts wechseln.

Die Zeit der singulären Helden und Heldinnen, der Einzelkämpfer ist aber seit einiger Zeit, nicht nur im Hollywood der "Avengers", vorbei. Jeder steht jetzt in einer Reihe mit den Kämpfern der Vergangenheit, das gilt für beide Seiten, für die Meister der dunklen Macht wie für die Jediritter, den Toten inklusive. Auch Carrie Fisher, die 2016 gestorben ist, tritt noch einmal in Aktion als General Leia, nicht per Computer reaktiviert, sondern in Szenen, die für den vorigen Teil gedreht, aber nicht benutzt wurden, um die herum man diese neuen Momente inszeniert hat. Ihre Umarmung ist einer der kraftvollen Momente dieses Films.

Disney lässt sein erfolgreiches Universum natürlich in alle Richtungen ausfransen, hängt immer wieder einzelnen Figuren eigene Geschichten und Filme an, verheddert sich in Prequel- und Sequel-Produktionen. Han Solo sollte eine eigene Seitenlinie bekommen, das ging nicht so erfolgreich los, die neue Serie "The Mandalorian" widmet sich nun einer Art Baby-Yoda, aber nicht im Kino, sondern auf dem neuen Streamingdienst Disney+.

Wird durch all diese Bemühungen Disneys ein neues Bild der alten Helden wiederkehren? Aufregend ist in diesem (letzten) Film und revolutionär, wie das Volk selbst zur Aktion zusammenfindet. Am Ende purzelt ein ganzer Schwarm Raumschiffe aus allen Ecken und Enden der Galaxis auf den Riesenkreuzer des Final Order zu, zum Kampf um die Zukunft. Diesem Ende wohnt ein Hauch von Sozialismus inne.

Star Wars: The Rise of Skywalker , USA 2019 - Regie: J. J. Abrams. Buch: Abrams, Chris Terrio. Kamera: Dan Mindel. Musik: John Williams. Mit Daisy Ridley, Adam Driver, John Boyega, Oscar Isaac. Disney, 142 Minuten.

In einer früheren Version des Textes hieß es fälschlicherweise, dass sich die Serie "The Mandalorian" dem "kleinen Yoda" widmen würde. Ein Leser hat uns darauf aufmerksam gemacht, dass es sich bei der Figur nicht um Yoda, sondern nur um einen jungen Artgenossen handelt. Wir bitten, den Fehler zu entschuldigen.

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Quelle:
SZ vom 19.12.2019
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