Süddeutsche Zeitung

Ressentiments gegen "Armutsflüchtlinge":Viel zu tun für die Anständigen

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Der Appell von Fernsehjournalistin Anja Reschke gegen Fremdenhass könnte verpuffen - weil die Ressentiments etwa von der CSU verstärkt werden.

Von Paul Katzenberger

Anja Reschke hat recht. Was die Moderatorin des ARD-Politmagazins "Panorama" in ihrem vielfach geposteten Tagesschau-Kommentar zur Stimmungsmache gegen Asylsuchende im Internet fordert, ist eine Lektion in gebotener Zivilcourage: "Haltung zeigen", "Mund aufmachen", den "Hassschreibern" im Netz entgegentreten, und zwar jeder Einzelne von uns.

Doch der Appell zu einem "Aufstand der Anständigen" dürfte nicht nur deshalb verpuffen, weil es Mut und Nerven erfordert, einer Minderheit von unverbesserlichen Rassisten zu widersprechen: denen, die Flüchtlinge Schmarotzer nennen, die "verjagt, verbrannt und vergast" werden sollten.

Das Problem ist größer: Ressentiments gegenüber den sogenannten Armutsflüchtlingen, von denen sich viele, nicht nur Hardliner, wünschen, dass sie unser Land auf schnellstem Weg wieder verlassen, werden von der gegenwärtigen Politik nicht etwa hinterfragt, sondern oft sogar verstärkt. Etwa durch die CSU, die schon Anfang 2014 eine sachlich kaum zu begründende Kampagne gegen Einwanderer aus den EU-Ländern Rumänien und Bulgarien startete und zuletzt spezielle Abschiebelager für Flüchtlinge vom Westbalkan ankündigte.

Damit werden Stimmungen geschürt, von denen die CSU in Form von Wählerstimmen profitieren will, durch die sich aber auch Hassschreiber ermuntert fühlen. Vielleicht hätte Anja Reschke gut daran getan, in ihrem Appell auch die bayerische Regierungspartei direkt anzusprechen. Deren Vertreter bedienen sich mit ihren geplanten Lagern einer rassistischen Symbolik - und die trägt zu dem von Reschke kritisierten Klima von Missgunst und Ablehnung bei.

Anja Reschkes Appell hätte man sich von der Politik schon lange gewünscht. Besonders wenn man bedenkt, dass die große Mehrheit der sogenannten Wirtschaftsflüchtlinge vom Balkan Roma sind, die in ihren Heimatländern oft lebensgefährlicher Diskriminierung ausgesetzt sind. Amnesty International oder der Hohe Kommissar der Vereinten Nationen für Menschenrechte werden nicht müde, das zu betonen.

Wer der Aufforderung von Anja Reschke folgt und den Hasstiraden im Internet entgegentritt, wird also viel zu tun bekommen. Denn Unterstützung von der Politik bekommt er nicht immer. Manchmal ist sogar eher das Gegenteil der Fall.

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