Süddeutsche Zeitung

Neues Video von Taylor Swift:Der Beef der Taylor S.

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Taylor Swift inszeniert sich und ihre Freundinnen im neuen Video "Bad Blood" als fiese Amazonen-Gang auf Rachefeldzug. Das hat nichts mit Feminismus zu tun, ist aber trotzdem großartig.

Von Julian Dörr

Zählt eigentlich noch jemand mit, wie viele Preise Taylor Swift in ihrem Leben schon gewonnen hat? Bei den Billboard Music Awards am Sonntagabend kamen neun neue Trophäen hinzu. Der Welt erfolgreichste Pop-Sängerin dominierte die Show in Las Vegas. Aber das war eigentlich klar und tut auch nichts zur Sache. Das wichtigste Ereignis des Abend war die Premiere von Taylors neuem Video.

Dass da was auf uns zukommen würde, das wussten wir schon seit einigen Tagen. Mit einer ganzen Reihe von Filmplakaten warb Taylor Swift für "Bad Blood". Grimmig dreinblickende Amazonen waren darauf zu sehen, Killer-Ladys mit Raketenwerfern, Messern und Nunchucks. Und die Textzeile: "Band-Aids don't fix Bulletholes." Im Kugelhagel nützen auch Pflaster nix. Das war die Ansage.

Das Video zu "Bad Blood" ist nun ein ebenso großer wie dummer - also schlicht ganz herrlicher - Spaß geworden. Taylor Swift kämpft als Agenten-Ninja-Terminatrix gegen ihre Nemesis, eine ähnlich schlagkräftige Verräterin. Dazu rappt Kendrick Lamar, Hip-Hops Visionär der Stunde, wahlweise aus dem gläsernen Büro oder dem gläsernen Auto. Seite an Seite mit Taylor steht eine ganze Armee aus wütenden BFFs, von Cara Delevingne, über Jessica Alba bis hin zu Cindy Crawford.

Raketen fliegen, Wände zerbersten und am Ende brennt London. "Bad Blood" mischt spiegelglatte Sci-Fi-Ästhetik mit Krach-Bumm-Action, das Ergebnis liegt irgendwo zwischen "Planet Terror", "Matrix", "Tron" und "Das fünfte Element". Und erzählt doch die alte Geschichte vom gebrochenen Herzen: "Baby, now we got bad blood, you know it used to be mad love."

Hübsche Mädels mit Knarren. Mehr braucht es nicht und das Netz redet von Powerfrauen und Frauenpower. Ja, hier machen ein paar Damen ganz schön was kaputt. Und ja, "Girls"-Erfinderin Lena Dunham raucht eine echt fette Zigarre. Aber Feminismus ist das natürlich trotzdem nicht. Mit Klischees stürzt man das Patriarchat nicht.

Warum "Bad Blood" trotzdem wichtig ist? Weil es uns einen Einblick in die besondere ästhetische Dynamik im Werk der Taylor Swift gibt. Die 25-jährige Songschreiberin wurde in Nashvilles Countryszene berühmt. Ein Stil, mit dem sie den ganzen Beginn ihrer Karriere bestritt. Bis "1989" kam. Die aktuelle Platte markierte den Wendepunkt. Auf einmal war da der Pop der frühen Madonna oder die Rap-Einlage in "Shake It Off".

Die Idee ist nicht neu, aber Taylor Swift führt sie cleverer aus als andere: Mehr und mehr wird sie zu einer genialen Kopistin. Sie eignet sich Stile und Insignien an, sie spürt, welche Strömungen sie zum Erfolg tragen könnten. Das unterscheidet sie grundlegend von Kanye West, dem anderen großen Popstar unserer Zeit. Kanye ist ein Bildhauer. Er meißelt seine Ästhetik in den Stein der Mainstream-Kultur. Er formt und prägt den Geschmack seiner Zeit, versucht sich an Designer-Sportklamotten für alle und hat Autotune als ernstzunehmenden Effekt zurückgebracht. Seine Ästhetik hat Sendungsbewusstsein.

Taylor Swift hingegen absorbiert die Ästhetik und den Zeitgeist um sich herum. Im Video zu "Bad Blood" hat sie diese Arbeitsweise vorerst auf die Spitze getrieben. Der ganze Look ist zusammengeklaut, Bildzitat folgt auf Bildzitat. Die böse Gegenspielerin mimt übrigens Selena Gomez. Eine Platzhalterin für Katy Perry, sagen die Gerüchte. Eine vermeintliche Freundin, die sie schwer enttäuscht habe, sagt Taylor Swift.

Der Beef, die beliebteste Kommunikationsform des Hip-Hop. Einst musste Taylor den Spott von Kollege Kanye bei den Grammys hinnehmen. Heute hat sie sich von der Opferrolle emanzipiert und teilt aus. Langsam, ganz langsam verändert sie sich. "Bad Blood" ist ein Kracher.

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