Süddeutsche Zeitung

Favoriten der Woche:Stift in die Hand und hingehört

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Wir empfehlen Ausmalbücher für Metalfans, eine Doku, der man den Oscar wünscht, Jahreskarten für Museen sowie das schöne miese Leben der Rapperin Haiyti.

Von SZ-Autoren

Metal-Malbücher

Es ist ja ein Klischee, dass sich Metalfans von Whisky und Blutwurst ernähren, in ihrer Freizeit Katzen schlachten und grundsätzlich destruktive Naturen seien. Mit diesen haltlosen Unterstellungen wird nun endlich aufgeräumt. Seit Kurzem gibt es von Bands wie Motörhead nicht nur martialische Shirts, sondern auch Malbücher. Ja, Malbücher. Mit den Plattencovern zum Ausmalen. Warum auch nicht? Die Fans wollen ihre Musik ja nicht nur sternhagelvoll in schäbigen Kellern hören, sondern auch mal abends, wenn die Kinder im Bett sind, bei einem guten Glas Wein. Dazu noch ein Malbuch - und die Idylle ist perfekt. Das lässt sich sogar ausbauen. Vorstellbar wären ergänzend die Metallica-Yogamatte mit rutschfesten Spikes, die Motörhead-Duftkerze ("Bourbon") und die Slayer-Tageslichtlampe (wahlweise auch mit Schwarzlicht). So beruhigend. Nicolas Freund

Crip Camp

Am kommenden Wochenende ist Oscarverleihung, und nach einem Jahr fast ohne Kino war es noch nie so leicht, viele der nominierten Filme vorab zu streamen. Wenn man denn von ihnen hört. Denn viele gute Werke haben leider wenig Aufmerksamkeit bekommen. So wie "Crip Camp/Sommer der Krüppelbewegung", der als bester Dokumentarfilm nominiert wurde und auf Netflix läuft. Der Film erzählt von einem Sommerlager 1971 für Jugendliche mit Behinderung und ihrem Kampf für eine Pubertät so, wie andere Teenager sie auch erleben. Die Produktion entstand unter der Schirmherrschaft von Michelle und Barack Obama als Teil ihres Netflixdeals und wurde beim Sundance-Festival ausgezeichnet. Die Konkurrenz in der Dokumentarfilmkategorie ist groß bei den Oscars, aber die Chancen dieser Doku dürften nicht schlecht stehen. David Steinitz

Die Jahreskarte

Vorbei. Einen Monat lang waren in München die Museen wieder für Besucher geöffnet, und wer kunstverhungert genug war, der ging täglich mindestens in eines. Das hätte ein teures und aufgrund der verpflichtenden Internetbuchungen auch ein lästiges Vergnügen sein können. Aber es gab einen Ausweg, die Jahreskarte, die fürs Lenbachhaus 20, fürs Haus der Kunst 50 und für die Pinakotheken 90 Euro kostet. Dadurch wurde die Trennung von Kunst und Leben aufgehoben, konnte der Karteninhaber doch einfach 15 Minuten Phyllida Barlow, 13 Michaela Eichwald oder 17 Michael Armitage zwischen Caponata-to-go und einem Abstecher in den Buchladen einschieben. Plötzlich war das Leben wieder farbig und sinnvoll. Jetzt heißt es wieder warten auf den nächsten Timeslot für den nächsten Jahreskarteneinsatz. Reinhard J. Brembeck

Haiyti: "Mieses Leben"

Auf der Diagonale zwischen Hamburg-Langenhorn und L.A., zwischen Underground und Major Deal, macht Haiyti, die deutsche Trap-Rapperin, die die Popkritiker lieben, noch mal einen Schritt zurück und nimmt neu Anlauf auf den ganz großen Durchbruch. Der dann wahrscheinlich wieder nicht kommt. Aber was bedeutet das schon. Nachdem es voriges Jahr gleich zwei Alben von ihr gab, kommt jetzt gleich noch eines. Keines von ihr kann zu viel sein. Für "Mieses Leben" (Hayati Musik) holt sie ein altes Alias zurück: Robbery, den Namen, der mit demselben Buchstaben beginnt wie ihr bürgerlicher Name Ronja Zschoche. Aber sprechend ist er eben auch: "Ja, und ich greif in die Kasse / Ja, und hinterlasse nur Asche" (aus "Robbery is back").

Wobei die Figur, die sie da erschafft, wahnsinnig viel Zeit hat auf dem Weg zum großen Cash, ein ganzes Leben Zeit, alles andere können die Streber besorgen: "Was sie tun für die Klicks, weil ihr alle hoch wollt / Mann, ich bin da schon gewesen und ich fand's nicht so toll". Also geht Haiyti, die inzwischen natürlich in Berlin-Wedding lebt, zurück dahin, wo ihre Geschichte anfängt: zum Päckchenpacken für die Dealer im Block, sich ranhalten, damit man am Freitagabend im Maybach an seinen Neidern vorbeiziehen kann, zum Stroboskop-Sound für Partys, die zurzeit keiner feiern darf, zurück nach Hamburg: "Große Freiheit, Reeperbahn, sex, love and crime".

Das klingt vielleicht wie ein Zitat des Street-Szenarios, das zum Genre gehört, im deutschen Rap aber immer ein bisschen gestellt aussieht. Nur ist es hier verdammt trocken genau so gemeint: "Alle wollen große Kunst machen", hat Haiyti vor ein paar Monaten in einem Interview gesagt, "kennen aber nicht den Preis." Um den geht es auf diesem Album, auf dem Haiyti elegische Runden zieht um die Zeile: "Lasst es Benzos regnen, Minotauren fliegen, wie viel kostet mein Leben?" Die Porsches, die Rollkragen von Prada, der Wodka Cassis, die Pillen, und die Stimme, die nachschleppend an allen Nerven zerrt, weil die vor Hunger nach dem alten Nachtleben sowieso schon blank liegen: All das kostet vor allem Haiytis "pechschwarze Seele". Die liegt offen und blutig da in diesen Songs und ist das Schönste, was es im Deutschrap zurzeit gibt. Marie Schmidt

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