Süddeutsche Zeitung

Landespolitik:So sans halt

Lesezeit: 6 min

Politik in Bayern, das ist überwiegend Politik von CSU-Männern. Als Journalistin bekommt man dabei einiges von ihnen zu hören. Ein Erfahrungsbericht.

Von Katja Auer

Der Beruf der politikbeobachtenden Journalistin in Bayern verspricht eine gewisse Beständigkeit. Es kann schon mal sein, dass eine neue Partei im Landtag auftaucht oder dass die Opposition wirklich interessante Leute nach vorne stellt - aber am Ende gewinnt die CSU.

Und in der CSU kann es auch mal sein, dass eine Frau was wird, Ministerpräsident Markus Söder hat (zu Beginn seiner Amtszeit) sogar das erste paritätisch besetzte Kabinett in der Geschichte Bayerns vorgestellt - das ist wieder vorbei. Stellvertretende Ministerpräsidentinnen gab es auch schon - jetzt nicht mehr. Aber der Chef ist immer ein Mann. So geht das seit 65 Jahren, und es sieht nicht so aus, als ob sich das in absehbarer Zeit ändern wird.

Also beschäftigen sich die Landtagsjournalisten in Bayern überwiegend mit der CSU und dabei vor allem mit den Männern in der CSU, aber das macht genauso viel Arbeit wie eine ganz normale Demokratie. Denn verwöhnt von der jahrzehntelang währenden absoluten Mehrheit und immer noch mit großer Wählergunst ausgestattet, schert sich die CSU wenig um die Opposition und kümmert sich selbst um die Vielfalt der Meinungen.

Bei der CSU fielen noch vor 15 Jahren Sprüche, die heute einen Shitstorm auslösen würden

Politische Journalistinnen gehören ebenfalls einer Minderheit an, aber ganz so schlimm wie in der bayerischen Politik ist es nicht. Nur Grüne und SPD kriegen im Landtag eine ausgewogene Besetzung hin, ihrer Quotenregelung wegen, da wundert sich dann zumindest keiner, wenn zur Berichterstattung eine Frau auftaucht. Eine junge vielleicht sogar.

Das mag ein kleines bisschen übertrieben sein, aber bei der CSU fielen noch vor 15 Jahren Sprüche, die heute mit einem Hashtag versehen durchaus viral gehen würden in den sozialen Medien. Unangemessen waren sie auch damals schon, nur halt noch viel normaler. Im Gegensatz zu jungen Frauen, die über Politik berichten, offenbar.

Das schaffte gelegentlich Verwirrung, wie aus einer Begegnung mit dem leider bereits verstorbenen Ernst Hinsken zu entnehmen war. Der Mann, den man ohne Verdacht auf Anbiederung ein CSU-Urgestein nennen darf, baute sich damals vor der Journalistin auf, was übertrieben ist, da Hinsken mit vielem gesegnet war, aber nicht mit überragender Körpergröße. Er musterte sein Gegenüber streng und war erkennbar überrascht ob des Alters. Seinen Grant über die Berichterstattung wollte er dennoch loswerden, revidierte aber anscheinend kurz die Ausdrucksweise. "Sie schreiben immer so ..." - Pause, er suchte offensichtlich nach einem Wort, das seinem Verdruss angemessen Ausdruck verleihen, aber zugleich nicht allzu beleidigend sein sollte - "... so abgeklärt". Abgeklärt, sagte er, und man hätte es beinahe als Kompliment verstehen können, hätte man nicht den Blick dazu gesehen. Altklug hätte er vermutlich lieber gesagt oder siebengescheit, auf jeden Fall war ihm anzusehen, dass er diese Person definitiv für zu jung und mutmaßlich auch zu weiblich hielt, um so über seine CSU zu schreiben.

Das hätten die feministischen, woken, jungen Frauen von heute mal hören sollen

Viel weniger diplomatisch drückte sich ein hochrangiger CSU-Politiker aus, der heute noch ein wichtiges Amt innehat. "Ich schätze Sie ja sehr", begann er den Vortrag mit schon etwas schwerer Zunge, da die Abendveranstaltung bereits fortgeschritten und der Alkoholkonsum kongruent dazu verlaufen war. "Ich schätze Sie ja sehr, aber mehr als Frau als als Journalistin." Sie schauen ja gut aus, sollte das wohl übersetzt heißen, aber was Sie so schreiben, passt mir überhaupt nicht.

Da hätte er mal an eine der feministischen, woken, jungen Frauen von heute geraten sollen, die ihm einen Shitstorm sondergleichen beschert hätten. Aber selbst war man damals erst mal baff, ob so viel Unverschämtheit.

Wobei, so baff auch wieder nicht, ehrlicherweise. Denn das war kein Einzelfall. Sexistische Sprüche, übergriffige Bemerkungen, manchmal auch nur dumme, davon können sowohl Journalistinnen wie auch Politikerinnen erzählen. Und zwar nicht nur von "früher". Es gibt heute viele junge Männer in der CSU und im gesamten Politikbetrieb, die solcher Äußerungen absolut unverdächtig sind. Umgekehrt gibt es immer noch eine große Zahl solcher, die Politik für Männersache halten. Bei denen sind nur Frauen erwünscht, die sich ihre Legitimation als Kreisbäuerin oder Vorsitzende der katholischen Landfrauen erworben haben. Sind Frauen aber zu laut oder gar mit dem sonst den Männern vorbehaltenen Machtwillen ausgestattet, werden sie schnell auf Hindernisse stoßen in der CSU.

Umgekehrt kann was werden, wer ins Bild passt. Auch optisch. So gibt es die glaubwürdige Geschichte, dass der amtierende Ministerpräsident einer Frau in seinem Kabinett aufgetragen hat, was sie anzuziehen habe zur Vereidigung. Damit es auch schön passt zu Amt und Partei.

Wer in Bayern aufgewachsen ist, zumindest mit einem Geburtsdatum vor der Jahrtausendwende, den mag das aufregen, aber nicht sehr überraschen. Wo CSU und katholische Kirche dominieren, da sind naturgemäß die Männer in der Überzahl. Aber dass sich die Frauen das immer noch gefallen lassen?

Kein Dirndl auf der Wiesn, ja geht das denn?

Nicht alle freilich, aber Landtagspräsidentin Ilse Aigner bestätigt, dass Äußerlichkeiten bei Frauen strenger beurteilt werden. Auch von Journalistinnen und Journalisten. Was hat sie an, und warum hat sie das an? Und wie schaut das überhaupt aus? Kein Dirndl auf der Wiesn, ja geht das denn? Man erinnere sich an Marga Beckstein, Ehefrau des damaligen Ministerpräsidenten, die es gewagt hatte, ohne Tracht auf dem Oktoberfest zu erscheinen. Dabei ist sie Mittelfränkin - und noch nicht einmal Politikerin. Dennoch gibt es Leute, die heute noch glauben, dass dieser Auftritt die CSU Stimmen gekostet hat.

Das schaut man sich also an über die Jahre, berichtet und analysiert, ist manchmal fassungslos und muss sich gelegentlich rechtfertigen bei Kollegen aus anderen Bundesländern für die politischen Verhältnisse in Bayern. Denn da kann die Berichterstattung noch so kritisch ausfallen, von außen betrachtet sind "die Bayern" eben die mit der CSU.

Eine Gleichsetzung, die nicht ganz von der Hand zu weisen ist, irgendwo müssen sie ja herkommen - die Wahlergebnisse von schlechtestenfalls 37 Prozent. Und wer aufgewachsen ist im Freistaat, in einer ländlichen Region zumindest, der weiß auch, wo sie herkommen. In Gegenden, wo sich noch vor 20 Jahren allenfalls ein pensionierter Lehrer mal als Sozialdemokrat bekannte und die Grünen jene waren, die sich darum kümmerten, dass die Kröten zur Wanderungszeit über die Straße getragen wurden, da bestimmte eben die CSU das Geschehen. Die FDP kannte man nur aus dem Fernsehen, nur Freie Wähler oder andere Wählergruppen gab es schon, die hatten sich meist in einem Streit um eine Kandidatur von der CSU abgespalten und kamen gar nicht selten später wieder zusammen. Wer anderer Meinung war, der musste in der CSU anderer Meinung sein, wollte er sich politisch engagieren.

"Auftreten ist besser als austreten", sagt Ulrike Scharf, Chefin der Frauenunion

Das mag ein Grund sein, warum die Frauen dringeblieben sind. Nun ist es kein natürlicher Reflex von Journalisten, Mitleid zu verspüren mit dem politischen Spitzenpersonal. Auch nicht unter Frauen, doch wer über Jahre den Kampf der CSU-Frauen um Gleichberechtigung in ihrer Partei verfolgt, der verspürt entweder ein gewisses Mitgefühl oder absolutes Unverständnis, warum selbstbewusste, intelligente Frauen diesem Laden nicht den Rücken kehren. Es sei nicht so einfach, sagt Ulrike Scharf, Chefin der Frauenunion, Sozialministerin und selbst schon mal bei einer Kabinettsumbildung durch einen Mann ersetzt worden. Man könne Farbe und Grundhaltung nicht einfach so wechseln. Und: "Auftreten ist besser als austreten". Und Aigner sagt, die "Grundausrichtung" ihrer Partei sei schon richtig.

Das empfinden offenbar auch viele Wählerinnen so. Zwar geben junge Frauen eher den Grünen ihre Stimme, manche auch der FDP. Dennoch ist bei der CSU der Anteil der Frauen, die für sie stimmen, ebenso hoch wie der der Männer. Vor allem ältere Frauen wählen die CSU. Also die Jahrgänge, die in der Partei selbst für eine Frauenquote sind.

Eine vernünftige Quote allerdings kriegt die CSU nicht hin. Die CSU ist und bleibt ein Männerverein, und sie will offenbar auch einer sein, das hat der Parteichef gerade erst zementiert. "Wir brauchen - da sind wir geläutert - keine weiteren Quoten in der Partei", sagte Markus Söder kürzlich bei der Landesversammlung der Jungen Union.

Das sind die Momente, die dann doch kleine Überraschungen bergen im oft erwartbaren politischen Alltag. Söder schimpft auf Berlin, na klar. Söder sticht ein Fass nach dem anderen an, was denn sonst. Söder will die CSU jetzt wieder konservativer machen, wo er sie vorher doch moderner haben wollte, selbst das ist im Licht des Wahlkampfs stimmig.

Aber Söder beerdigt die Ausweitung der Frauenquote? Ganz ohne Not? Die er selbst noch einführen wollte vor einiger Zeit und damit gescheitert ist an der eigenen Partei?

Das lässt sich nun analysieren, und dafür sind Journalisten ja schließlich da: Er wollte den Parteinachwuchs umgarnen, der ihn vor einem Jahr hart kritisierte und ohnehin (auch in der weiblichen) Mehrheit gegen die Frauenquote ist. Er wollte die Konservativen in der CSU befrieden, denen Söder mit seinem inzwischen revidierten Jünger-weiblicher-grüner-Kurs ganz schön auf die Nerven ging.

Aber die Frau in der Journalistin kann auch zu dem schlichten Schluss kommen: So sans halt in der CSU.

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