Süddeutsche Zeitung

Studieren in Mexiko:Swimmingpool und Drogenkrieg

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Luxus und Angst: Ausländische Studenten und Professoren können in Mexiko ganz gut leben - die hohe Kriminalität schreckt aber viele ab.

Tanjev Schultz

Nach Brasilien ist Mexiko die wichtigste Wissenschaftsnation in Lateinamerika, unter Präsident Felipe Calderón investiert das Land verstärkt in die Forschung. Es gibt Hunderte Hochschulen in Mexiko, die meisten sind staatlich, die international konkurrenzfähigen Bereiche konzentrieren sich allerdings auf wenige Flaggschiffe wie die große nationale Universität Unam, das Instituto Politécnico Nacional oder das Colegio de México in Mexiko-Stadt.

Zunehmend zum Problem wird die heikle Sicherheitslage in Mexiko, die viele Ausländer abschreckt. Drogenbanden liefern sich immer wieder heftige Gefechte, untereinander und mit der Polizei. Raub und Mord sind in Grenzorten wie Juárez, aber auch in der Hauptstadt, an der Tagesordnung.

Vor kurzem starben zwei Studenten des Tecnológico de Monterrey, als sich Soldaten und Dealer mitten auf der Straße beschossen. Mehrere US-Hochschulen haben bereits ihre Austauschprogramme gestoppt. So wollten beispielsweise 18 Studenten der Universität von Kansas in diesem Sommer in Puebla, südlich von Mexiko-Stadt, ihr Spanisch verbessern. Daraus wird nun nichts. Die Studenten sind vorsichtshalber nach Costa Rica ausgewichen.

Im Landesinneren und auf dem Campus der großen Unis ist ein Studium für Ausländer aber nicht unbedingt gefährlicher als in einer Großstadt der USA. Der Deutsche Akademische Austauschdienst hat im vergangenen Jahr etwa 300 deutsche Studenten nach Mexiko geschickt, außerdem fast 100 Wissenschaftler. Die Zahl der Mexikaner, die an deutsche Unis kommen, ist fast dreimal so hoch. Auch die Alexander-von-Humboldt-Stiftung fördert Mexikaner, die für einige Monate an deutsche Hochschulen gehen. Auf diese Weise entstehen oft sehr langlebige Kooperationen zwischen deutschen und mexikanischen Instituten.

Einige Deutsche bleiben sogar in Mexiko hängen. Man könne in dem Land ganz gut leben, sagt ein Biowissenschaftler, der früher in Berlin forschte und nun in der Nähe von Mexiko-Stadt Professor an einer Außenstelle der Unam ist. Er kann dort seiner Familie ein Haus mit Swimmingpool und Gärtner bieten - das Professorengehalt erlaubt in Mexiko einen gewissen Luxus. Sollte sich die Sicherheitslage jedoch weiter verschlechtern, würde er schon über eine Rückkehr nach Europa nachdenken, sagt der Professor.

Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Politik. Mexikos Demokratie ist noch nicht stabil, und der nationale Forschungsrat Conacyt, der über Forschungsmittel und das Wissenschaftssystem wacht, nicht frei von politischer Einflussnahme.

Viele Mexikaner sind skeptisch, ob es Präsident Calderón und seiner konservativen Partei gelingen wird, den Krieg gegen die Drogenkartelle zu gewinnen, das Land zu befrieden und von der grassierenden Korruption und Kriminalität zu befreien.

Früher sei Mexiko das Ziel von Akademikern aus anderen Ländern gewesen, aus Argentinien, Haiti oder Uruguay, sagt der Literaturwissenschaftler Luis Fernando Lara vom Colegio de México. Davon hätten die Hochschulen des Landes sehr profitiert. Mittlerweile sei jedoch der brain drain, der Verlust gut ausgebildeter Mexikaner, zu einem großen Problem geworden. Immer mehr Forscher würden ihr Heil in den USA suchen.

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Quelle:
SZ vom 26.07.2010
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