Süddeutsche Zeitung

Fachkräftemangel:Deutschland im Pflegenotstand

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In Deutschland fehlen Zehntausende Pflegekräfte. Die Bundesagentur für Arbeit versucht, Arbeitslose umzuschulen und in mehreren Ländern Fachkräfte anzuwerben. Doch der Erfolg der Bemühungen ist gering.

Von Guido Bohsem und Thomas Öchsner, Berlin

In den Bemühungen im Kampf gegen die Personalnot in der Pflege zeichnen sich erste, wenn auch noch unzureichende Erfolge ab. Nach jüngsten Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA) haben 2013 etwa 2700 Arbeitslose mit einer Qualifizierung für die Altenpflege begonnen. Das ist etwa die Hälfte mehr als in den ersten acht Monaten des Vorjahres. Fast 3100 Erwerbslose schlossen ihre Weiterbildung erfolgreich ab - 1300 mehr als von Januar bis August 2012. Auch die Bemühungen, neue Pflegekräfte im Ausland zu gewinnen, zeigen erste Früchte.

Der Fachkräftemangel in der Pflege gilt schon jetzt als großes Problem, das sich in der Zukunft noch verschärfen dürfte. Derzeit fehlen etwa 30.000 Altenpfleger. Durch den demografischen Wandel der Gesellschaft wird der Anteil der älteren Menschen jedoch noch einmal deutlich zunehmen. Entsprechend steigt nach Schätzungen des Statistischen Bundesamtes auch die Zahl der Pflegefälle. Um diese Menschen zu versorgen, muss es laut Berechnungen des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung etwa 330.000 zusätzliche Altenpfleger geben.

Schon jetzt nimmt die Zahl des Pflegepersonals seit Jahren kontinuierlich zu. 2011 waren 573.000 Altenpflegekräfte in Heimen oder ambulanten Pflegediensten beschäftigt. Ein Jahr später waren es bereits 25.000 mehr. 86 Prozent von ihnen sind Frauen. Bedarf herrscht nach Angaben der BA vor allem bei geprüften Pflegekräften. Diese würden in sieben von zehn Jobangeboten gesucht.

Schwesig kritisiert das Werben um ausländische Pflegekräfte

Die Bemühungen der BA bei der Umschuldung von Arbeitslosen auf Altenpflege erhielten zwischenzeitlich einen Dämpfer, weil die Bundesregierung Mitte 2010 die Finanzierung des dritten Ausbildungsjahres zum Alten- und Krankenpfleger strich. Seit 1. April bis vorläufig 31. März 2016 wird das dritte Jahr wieder finanziert.

Die Bundesagentur kooperiert seit Anfang des Jahres mit den Arbeitsverwaltungen von Bosnien-Herzegowina, Serbien, den Philippinen und Tunesien, um dort Pflegekräfte zu werben. Nach Angaben der Bundesregierung nehmen 389 Pflegekräfte an dem Programm teil. Ein Teil davon werde nun weiter ausgebildet und lerne Deutsch. 273 Teilnehmer des Programms stammten aus Bosnien, 93 aus Serbien und 23 aus den Philippinen. Die BA habe zudem eine Vereinbarung über die Vermittlung von 150 chinesischen Pflegefachkräften getroffen. Auch in Ländern der Europäischen Union werden Pflegekräfte angeworben. Die BA bietet Informationsveranstaltungen und Jobbörsen an. Wegen der hohen Arbeitslosigkeit dort wird vor allem in Griechenland, Spanien, Portugal und Italien nach Pflegekräften gesucht.

SPD-Vize Manuela Schwesig kritisierte das Werben der Bundesregierung um ausländische Pflegekräfte als Bankrotterklärung. Schwarz-Gelb habe vier Jahre lang nichts für die Pflege getan, die jetzigen halbgaren Bemühungen seien nichts als Fassadenmalerei. Die Linke warnte vor den negativen Folgen, den die Abwerbung von Pflegekräften in deren Heimatländern anrichte.

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Quelle:
SZ vom 12.09.2013
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