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Schmerzmittel:Wirksam, aber riskant

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Viele populäre Schmerzmittel helfen sehr gut. Doch sie erhöhen auch das Risiko für Herzinfarkt, Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit Todesfolge, warnen Schweizer Mediziner.

Katrin Blawat

Ob Hüfte, Knie oder Rücken - bei jedem vierten Erwachsenen schmerzt mindestens eines dieser Körperteile dauerhaft und heftig. Viele der Geplagten nehmen regelmäßig schmerz- und entzündungshemmende Tabletten, die zur Klasse der sogenannten NSAR (nichtsteroidale Antirheumatika) gehören.

Diese helfen oft gut gegen die Beschwerden - dafür müssen die Patienten jedoch erhebliche Nebenwirkungen in Kauf nehmen, wie eine umfassende Übersichtsarbeit im British Medical Journal nun bestätigt (online). Demnach erhöhen die sieben untersuchten Wirkstoffe das Risiko für einen Herzinfarkt, einen Schlaganfall oder andere Herz-Kreislauf-Krankheiten mit Todesfolge erheblich.

Ein Team um den Berner Epidemiologen Peter Jüni wertete 31 Studien mit insgesamt mehr als 1160.00 Patienten aus, die regelmäßig Schmerzmittel nahmen. Bei den untersuchten Wirkstoffen handelte es sich um Naproxen, der zum Beispiel in Mobilat Schmerztabletten enthalten ist, um Ibuprofen (Handelsnamen unter anderen Ibutop, Dolormin), Diclofenac (Handelsname unter anderen Voltaren), Celecoxib (Celebrex), Etoricoxib (Arcoxia) sowie um die zwei Wirkstoffe Rofecoxib (Vioxx) und Lumiracoxib (Prexige), die beide in Deutschland nicht mehr auf dem Markt sind.

Zwar erlitten, absolut gesehen, nur sehr wenige Probanden einen Herzinfarkt oder Schlaganfall oder starben an den Folgen einer Herz-Kreislauf-Erkrankung. Doch wer zum Beispiel regelmäßig Ibuprofen nahm, verdreifachte damit sein Risiko für einen Schlaganfall. Eine ähnliche Wirkung zeigte sich bei Diclofenac. Als Kontrollgruppen dienten jeweils Probanden, die das Schmerzmittel Paracetamol erhielten.

Der im Vioxx enthaltene Wirkstoff Rofecoxib sowie Lumiracoxib verdoppelten das Risiko für einen Herzinfarkt; Ibuprofen erhöhte es um den Faktor 1,3. Die Substanzen Diclofenac und Etoricoxib vervierfachten gar das Risiko, an einer Herz-Kreislauf-Erkrankung zu sterben. Am wenigsten schädlich erschien in der Übersichtsarbeit der Wirkstoff Naproxen. Doch ist dieser Wirkstoff für besonders starke Nebenwirkungen im Magen-Darm-Trakt bekannt.

So lautet das Fazit der Autoren: "Es gibt kaum Hinweise darauf, dass irgendeine der untersuchten Arzneien sicher ist im Bezug auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen."

Dass die NSAR erhebliche, auch tödliche Nebenwirkungen haben können, ist spätestens seit 2004 klar, als das Schmerzmittel Vioxx vom Markt genommen wurde. Welches Risiko die anderen Wirkstoffe aus der gleichen Klasse darstellten, blieb bislang trotz zahlreicher Untersuchungen unklar. "Die Annahme vieler Patienten, dass nur Vioxx ein Risiko darstellte und die anderen Medikamente harmlos sind, ist jedoch mit Sicherheit falsch", sagt Jüni.

Die aktuelle Studie sei eine "exzellente Zusammenfassung", lobt der Pharmakologe Kay Brune von der Universität Erlangen. "Meiner Meinung nach ist es jedoch nicht gerechtfertigt, eine Rangfolge der Gefährlichkeit unter den sieben Wirkstoffen herzustellen", sagt Brune. "Alle zerstören den Schutz der Gefäße. In jedem Fall ist allein die Dosis entscheidend."Aus diesem Grund könnten sogar Menschen gefährdet sein, die regelmäßig frei verkäufliche NSAR nehmen, sagt Jüni. Welche chemische Eigenschaft die Mittel so gefährlich macht, ist unklar. Die NSAR hemmen bestimmte Typen des Enzyms Cyclooxygenase, das bei Entzündungen eine Rolle spielt.

Wer regelmäßig Schmerzmittel für einen erträglichen Alltag braucht, kann aus der Studie lediglich einen etwas unbefriedigenden Schluss ziehen: "Patienten sollten die Schmerzmittel immer so niedrig wie möglich dosiert und so kurz wie möglich nehmen", rät Brune.

"Wenn es um Alternativen zu den NSAR geht, haben wir ein großes Problem", sagt auch Jüni. Paracetamol und Opioide, die häufig als Ausweichmittel genannt werden, helfen oft nicht gut und haben ebenfalls starke Nebenwirkungen. Paracetamol beispielsweise schädigt die Leber auf Dauer erheblich. "Was sonst noch bleibt, ist Bewegung als Therapie", sagt Jüni.

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Quelle:
SZ vom 13.01.2011
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