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Neue Abschlüsse:Bekommt der Bäcker bald den Bachelor?

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Bildungsministerin Karliczek will neue Titel für Abschlüsse in der Berufsausbildung. Doch die Hochschulen laufen Sturm gegen den "Bachelor Professional". Scheitert das Projekt?

Von Susanne Klein, München

Für Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) bahnt sich neue Unbill an, und das ausgerechnet bei dem Thema, das der gelernten Hotelfachfrau besonders am Herzen liegt: der Aufwertung der beruflichen Bildung. Im Streit um die neuen Titel "Bachelor Professional" und "Master Professional", die Karliczek im Zuge ihrer Reform des Berufsbildungsgesetzes für höher Qualifizierte durchsetzen will, verhärtet sich offenbar der Widerstand.

Der Bundesrat, der dem Gesetz zustimmen muss, damit es am 1. Januar in Kraft treten kann, wird voraussichtlich den Vermittlungsausschuss von Bundesrat und Bundestag anrufen. Das hat am Montag der federführende Kulturausschuss auf Antrag von Baden-Württemberg empfohlen. Die offizielle Entscheidung wird am 29. November im Plenum des Bundesrats gefällt.

Kritik aus Baden-Württemberg

"Die Abschlussbezeichnungen 'Bachelor Professional' und 'Master Professional' stiften mehr Verwirrung, als dass sie Berufsabschlüsse aufwerten", bekräftigte die baden-württembergische Wissenschaftsministerin Theresia Bauer (Grüne) den Vorstoß ihres Landes auf Fragen der S üddeutschen Zeitung. Trotz vielfacher Kritik lägen im Bundesrat wieder die alten Vorschläge vor. "Es wird versucht, den Bundesrat zu Zustimmung zu bewegen, indem die von allen Seiten positiv bewertete Mindestausbildungsvergütung in demselben Gesetzentwurf geregelt werden soll. Das ist kein guter Stil", sagte Bauer weiter.

Mit den englischen Abschlussbezeichnungen für Fortbildungen will Anja Karliczek die berufliche Bildung attraktiver machen und die Gleichwertigkeit höherer Qualifizierungen mit dem Studium betonen. So soll sich ein Bäcker, der seinen Meister macht, "Bachelor Professional" nennen dürfen. Jahrelang habe man sich zu sehr um die akademische Ausbildung gekümmert, kritisiert die Ministerin.

Zwar hat der Bundestag ihre Novellierung des Gesetzes, die unter anderem einen Azubi-Mindestlohn von 515 Euro im ersten Lehrjahr vorsieht, im Mai beschlossen. Doch in der Bundestagsdebatte waren die neuen Titel von der Opposition scharf kritisiert worden. Die FDP sprach zum Beispiel von "Etikettenschwindel"; die Novelle wurde mit etlichen Änderungsanträgen an den Bundesrat überwiesen.

Dort steht der Gesetzentwurf seitdem in der Kritik. Im Juni sprach sich der Bundesrat gegen die geplanten neuen Abschlüsse aus und verwies auf zahlreiche negative Stellungnahmen. Sowohl die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und Kultusministerkonferenz (KMK) als auch Arbeitgeber- und Gewerkschaftsvertreter lehnen die Abschlussbezeichnungen ab.

Noch am vergangenen Freitag hatte die HRK ihren Einspruch erneuert. In einem Schreiben an den Bundesrat forderte sie diesen "dringend" auf, die Begriffe im neuen Berufsbildungsgesetz zu verhindern: "Ohne Not stellen sie die bisherigen, in der Gesellschaft, Wirtschaft und auf dem Arbeitsmarkt fest etablierten und angesehenen Fortbildungsbezeichnungen (wie z. B. den Betriebswirt, Wirtschaftsfachwirt, Industriemeister usw.) in Frage." Da die Titel "Bachelor" und "Master" eindeutig mit akademischen Abschlüssen assoziiert würden, seien Missverständnisse zu Lasten von Hochschulabsolventen programmiert.

Karliczeks Vorschläge entsprächen "nicht den Anforderungen des Bundesrates an eine sinnvolle Überarbeitung der Abschlussbezeichnungen", rüffelt der Antrag Baden-Württembergs die Ministerin. Der Vermittlungsausschuss soll nun "einheitliche und eigenständige" Titel für die beruflichen Fortbildungsstufen entwickeln, fordert das Land stellvertretend für die vielen Kritiker. Sollte es tatsächlich so weit kommen, dass der Vermittlungsausschuss Karliczek derart eines Besseren belehrt, wäre das für sie eine weitere Schlappe. Auch bei dem Nationalen Bildungsrat, den die Bildungsministerin installieren will, ziehen die Länder nicht mit.

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SZ vom 14.11.2019
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