Süddeutsche Zeitung

Lehrer:Lange arbeiten, schlecht schlafen und Freude am Job

Lesezeit: 2 min

Morgens haben sie recht und nachmittags frei? Mitnichten. Einer Umfrage zufolge arbeiten Gymnasiallehrer im Schnitt 45 Stunden in der Woche. Aber nicht nur die langen Dienstzeiten machen ihnen zu schaffen.

Von Bernd Kramer, München

Auf den ersten Blick könnte man auf die Idee kommen, Lehrerinnen und Lehrer hätten einen entspannten Job. Arbeiten sie am Gymnasium, schreibt das Land Bayern ihnen zum Beispiel in der Regel 23 Unterrichtsstunden vor. Weil so viel Personal in den Klassenzimmern fehlt, hat das Kultusministerium in München kürzlich den Grundschullehrern im Land jedoch eine Unterrichtsstunde mehr verordnet, wogegen deren Interessenverbände derzeit heftig protestieren. 29 statt 28 Stunden in der Woche bei vollem Lohn? Davon können andere Arbeitnehmer nur träumen.

Selbstverständlich führen die Zahlen in die Irre, denn Lehrer und Lehrerinnen arbeiten nicht nur, wenn sie gerade vor der Klasse stehen. Sie bereiten Unterricht vor, korrigieren Klausuren, sprechen mit Eltern. Die Ministerien behaupten, damit kämen Pädagogen auf die gleiche Arbeitszeit wie andere Vollzeitbeschäftigte. Lehrergewerkschaften bezweifeln das regelmäßig, in Niedersachsen befassen sich die Gerichte demnächst mit Klagen gegen die Berechnungen des Kultusministeriums. Genaue Zahlen über das Arbeitspensum der Lehrer sind rar.

Vier von zehn Befragten gaben an, in der Nacht schlecht zu schlafen

Der Philologenverband hat nun zumindest für die Gymnasiallehrer erhoben, wie lange sie tatsächlich im Dienst sind. Im Schnitt sind es der Umfrage zufolge bei einer vollen Stelle 45 Stunden in der Woche, wobei ein großer Teil der befragten Lehrkräfte darüber liegt. 46 Prozent arbeiten demnach sogar mehr als 45 Stunden. Die langen Arbeitszeiten belasten: Vier von zehn Befragten gaben etwa an, schlecht zu schlafen.

Der Verband hatte gemeinsam mit der Uni Rostock mehr als 16 000 Gymnasiallehrerinnen und Gymnasiallehrer online befragt, ein Teil erfasste seine Arbeitszeit vier Wochen lang mit einer App, um die Zahlen abzusichern. Die Ergebnisse sind repräsentativ für die Gymnasiallehrer in Deutschland - und aus Sicht ihres Verbandes erwartungsgemäß alarmierend. "Wir können nicht stillschweigend in Kauf nehmen, dass unsere Gymnasien nur noch durch chronische Überlastung der Lehrkräfte funktionieren", sagte Susanne Lin-Klitzing, Vorsitzende des Philologenverbandes. Fast die Hälfte der Lehrer wünschte sich der Umfrage zufolge, dass das Unterrichtsdeputat gesenkt wird - eine Forderung, der sich der Verband anschloss.

Aber nicht nur unter langen Arbeitszeiten leiden viele Gymnasiallehrer. Am stärksten macht ihnen zu schaffen, dass die Klassen so vielfältig geworden sind. 95 Prozent der Befragten sagten, dass die großen Leistungsunterschiede zwischen den Schülerinnen und Schülern sie belaste. Heute besucht ein Großteil eines Altersjahrgangs das Gymnasium, die Klassen sind damit bunter als früher. Trotz aller Belastungen machen die Lehrer an den Gymnasien im Land ihren Job gerne.

85 Prozent sagten, sie seien zufrieden oder sehr zufrieden mit ihrem Beruf. Freude macht ihnen vor allem die Arbeit mit jungen Menschen - und die Möglichkeit, die Verpflichtungen jenseits des Unterrichts relativ flexibel einteilen zu können. Wenn sie denn nicht überhandnehmen.

Bestens informiert mit SZ Plus – 4 Wochen kostenlos zur Probe lesen. Jetzt bestellen unter: www.sz.de/szplus-testen

URL:
www.sz.de/1.4838043
Copyright:
Süddeutsche Zeitung Digitale Medien GmbH / Süddeutsche Zeitung GmbH
Quelle:
SZ vom 10.03.2020
Jegliche Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über Süddeutsche Zeitung Content. Bitte senden Sie Ihre Nutzungsanfrage an syndication@sueddeutsche.de.