Süddeutsche Zeitung

Prozess in Würzburg:"Ist das das Elferratsniveau?"

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Aus dem Gericht von Olaf Przybilla, Würzburg

Der Angeklagte weint, er sagt, er habe bestimmt keine Parolen verbreiten wollen. Wegen Volksverhetzung muss sich der 52-Jährige am Amtsgericht Würzburg verantworten; die Staatsanwaltschaft wirft ihm vor, 2018 in einer internen Whatsapp-Gruppe zwei strafrechtlich relevante Postings verbreitet zu haben. Die Gruppe hieß "Elferunsinn", Mitglieder waren aktuelle und ehemalige Faschings-Elferräte aus Unterfranken. Der Angeklagte war als damals noch 3. Präsident der Gilde Giemaul, einer der größten Faschingsvereine in Franken, ebenfalls mit dabei.

Die Postings bestreitet der angeklagte Verkäufer im Außendienst - Jackett, randlose Brille, Einstecktuch - ausdrücklich nicht. Einmal stellte er ein Bild ein, das einen mutmaßlich deutschen Soldaten zeigt, im Anschlag hat der eine Maschinenpistole. Unter dem Bild steht der Satz: "Das schnellste deutsche Asylverfahren, lehnt bis zu 1400 Anträge in der Minute ab."

Ein anderes Posting zeigt ein Bild, das einer Zigarettenschachtel der Marke Camel nachempfunden zu sein scheint. Allerdings klammert sich eine männliche Person arabischen Aussehens von hinten an das Kamel. Darunter findet sich der Schriftzug: "Kamelficker können Ihnen und Ihrem Land erheblichen Schaden zufügen."

Warum man so was postet? Der 52-Jährige, der inzwischen nicht mehr Faschingsvorstand ist, gibt sich alle Mühe, das zu erklären. In die Gruppe seien ständig Bilder hineinkopiert worden. Manche hätten "sexistischen Inhalt" gehabt, andere waren "grobe Späße", andere "nur eklig". Das seien so die Kategorien unter den Elferräten gewesen. Woher die Bilder kamen? Aus anderen Gruppen, erklärt der Angeklagte. Er habe die "einfach so zack, zack, zack weitergeleitet", ohne sich Gedanken zu machen. Oft gingen solche Bilder "quer durch die Republik", so habe er das wahrgenommen.

Er könne versichern: "In meiner Welt kann man das nicht ernstnehmen." Und niemals sei er auf die Idee gekommen, dass die Bilder "nach draußen" dringen könnten. Warum? Immerhin hatte diese Gruppe 24 Mitglieder. Er hoffe nicht missverstanden zu werden, sagt der Ex-Faschingspräsident, aber es gebe da so einen "Korpsgeist" unter den Faschingsleuten. Man habe eine gemeinsame "geschlossene Basis". Wenn man da "Geschmacklosigkeiten" in eine interne Gruppe stelle, so gehe man "natürlich davon aus, dass das vertraulich" sei. Auch wenn es da keine "schriftlich fixierten Rahmenparameter" für diese Whatsapp-Gruppe gegeben habe.

Der Oberstaatsanwalt hat da mal eine Verständnisfrage: Der Angeklagte stelle sich als jemanden mit toleranter, offener Weltanschauung dar; dass er nicht beschränkt sei, merke man an der Art, wie er sich ausdrücke. Und da poste er so einen "Müll"? Der Staatsanwalt legt eine Sprechpause ein - und stellt eine naheliegende Frage: "Ist das das Elferratsniveau?"

Der Angeklagte bestätigt das im Grundsatz. Mitunter sei das Niveau einfach abgesunken, zumal bei zunehmendem Alkoholkonsum. Aber nochmals: Er teile kein rechtes Gedankengut, finde es "extrem gut, Menschen aufzunehmen, die in Not sind". Dass man seine Postings so deuten könne, als wolle er menschenverachtende Parolen verbreiten, das habe er "jetzt gelernt". Dafür könne er sich nur entschuldigen.

Nicht zum Lachen ist die Causa für die ehemals 2. Präsidentin der Gilde. Sie wurde von Mitgliedern mit den Bildern konfrontiert, die seit Monaten in der Gruppe kursierten. Sie selbst war nicht Mitglied darin, im Gegensatz zum 1. Gildepräsidenten. Nach Absprache mit einer Anwältin und dem Ombudsrat der Stadt Würzburg bat sie um Klärung. Und geriet, als der Fall öffentlich wurde, zum Opfer von Anwürfen aus der Faschingsgesellschaft. Ehe sie rausgeschmissen werden konnte, verließ sie die Gilde. Und der 1. Vorsitzende? Der sagt, er habe die Gruppe nie recht beachtet. Da sei Zeug zu sehen gewesen, das "kein Mensch braucht". Einfach der "Blödsinn, der so kreucht und fleucht". Der Prozess wird fortgesetzt.

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Quelle:
SZ vom 24.05.2019
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