Süddeutsche Zeitung

Konzert:Der Getriebene kommt zur Ruhe

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"Silent World": Schlagzeuger Wolfgang Haffner stellt im Prinzregententheater seine musikalische Handschrift in den Mittelpunkt.

Von Oliver Hochkeppel

Bestimmt nicht ökonomisch, aber rein künstlerisch hat die Corona-Zwangspause manchem Musiker ganz gut getan. War es doch eine Gelegenheit, der Routine zu entkommen, sich zu sammeln und den Blick zu schärfen, was einem musikalisch wirklich wichtig ist. Wolfgang Haffner ist so ein Fall. Auf dem Ende Januar erschienenen neuen Album "Silent World" hat der Schlagzeuger - der Titel verrät es schon - in sich hineingehorcht. Das Ergebnis, das er am kommenden Samstag live im Prinzregententheater (und am 25. März beim Heimspiel in der Nürnberger Meistersingerhalle) vorstellt, ist wohl das Persönlichste, was er seit Langem gemacht hat.

Deutschlands wohl renommiertester Jazz-Schlagzeuger ist zwar erst 57, aber gefühlt steht Haffner seit jeher in vorderster Front des deutschen Jazz. Weil er so früh angefangen hat - schon als 18-Jähriger war er mit Konstantin Wecker auf Tour, mit 24 saß er in Klaus Doldingers Passport, sechs Jahre später in der Band von Chaka Khan zu ihren Glanzzeiten -, aber auch, weil er so unermüdlich ist.

Neben den eigenen Alben spielte er bislang auf 400 von anderen mit und produzierte die isländische Band Mezzoforte und die No Angels. Er werkelte mit Projekten von der Zappelbude über Old Friends bis zu Dreamband und 4 Wheel Drive, gab mal die Session-Leitung bei der Jazzwoche Burghausen, mal den Gastgeber bei seinem heimatlichen Nürnberger Großevent "Stars im Luitpoldhain".

Wie ein Getriebener wirkte er mitunter, selbst bei den eigenen Projekten. Die zwischen 2015 und 2020 entstandene "Kind of"-Trilogie zum Beispiel, bei der er sich mit Cool Jazz, Tango und spanischer Musik beschäftigte, war eine Idee seines Labelchefs Siggi Loch, die er schon wegen der Vernetzung mit vielen großen Stars gerne und mit großem Erfolg aufgriff. Der pure Haffner war es freilich nicht, zumal er sich selbst immer mindestens so sehr als Komponist wie als Schlagzeuger verstanden hat. Als nun wegen Corona der Alltagslärm verstummte und sich die Erde schlagartig in eine "Silent World" verwandelte, war der Moment gekommen, "mich zu fragen, was ich eigentlich will. Was meine Handschrift ist", wie er sich erinnert.

Internationale Stars wie Dominic Miller oder Nils Landgren waren im Studio dabei

Also ist er jetzt mit "Silent World" wieder der Klang-Erträumer, der einzigartig federnden Groove mit extravaganten Sounds und der Kraft einfacher Melodien zusammenbringt. Und der damit immer eine besondere Spannung erzeugt. Noch eindringlicher und konzentrierter als auf den früheren Alben "Shapes", "Round Silence" oder "Heart of the Matter", mit denen er seinen besonderen Sound etablierte. Schon die prägnant kurzen Titel wie "The Peace Inside", "Hope" oder "Belief" verraten, dass es darin um die menschlichen Essentials geht, um das mal hymnische, mal verträumte Vertiefen eines tragenden Gedankens oder Gefühls.

Im Studio waren viele der internationalen Stars, mit denen Haffner befreundet ist, als Gäste dabei, von Dominic Miller und Bill Evans über Nils Landgren und Nicolas Fiszman bis zu Marc Wyand und Till Brönner. Doch das markante Rückgrat bildet das in den vergangenen Jahren zusammengefundene deutsche Quintett, die Magic Band, mit der Haffner nun ins Prinzregententheater kommt: sein langjähriger Weggefährte am Bass Thomas Stieger; der Trompeten-Innovator Sebastian Studnitzky, der schon oft und gerade bei Haffners persönlichsten Werken mit von der Partie war; sein aktuell engster Vertrauter Simon Oslender, der wie wenige gleichermaßen traumhaft den Flügel, die Keyboards und die Orgel beherrscht; und seine jüngste Entdeckung Alma Naidu, die mit ihrer engelsgleichen Stimme besonders gut zu diesem Programm passt.

Das Album wird im Konzert nur der Ausgangspunkt für eine Retrospektive auf sein ureigenstes Werk sein. Eine große, akribisch zusammengestellte Show mit einem Haffnerschen "Flow" verspricht er: "Kein Stück könnte da an einer anderen Stelle stehen."

Wolfgang Haffner Magic Band, Sa., 18. März, 20 Uhr, Prinzregententheater, Prinzregentenplatz 12, www.bellarte-muenchen.de

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