Interview mit Jazz-Drummer:Im Groove des Herzens

Wolfgang Haffner

Wieder daheim: Wolfgang Haffner hat seinen Hauptwohnsitz von Ibiza zurück nach Nürnberg verlegt.

(Foto: Antje Wiech)

Schlagzeug-Star Wolfgang Haffner über seine "Dreamband", mit der er jetzt auf Deutschland-Tour geht.

Von Oliver Hochkeppel, München/Nürnberg

Mit 18 ging es bei Albert Mangelsdorff und Konstantin Wecker los, danach trommelte sich Wolfgang Haffner über Stationen wie Klaus Doldingers Passport, Chaka Khan oder Nils Landgrens Funk Unit in die erste Reihe der Jazz- und Funk-Drummer. Heute mit 55 ist er der bekannteste deutsche Vertreter seines Fachs. Schon lange ist er nicht nur Begleiter, sondern auch Produzent, Komponist und Kopf eigener Projekte wie zuletzt der Trilogie "Kind of Cool", "Kind of Spain" und "Kind of Tango". Jetzt hat er sich eine Dreamband zusammengestellt, mit der ihn Veranstalter-Veteran Karsten Jahnke durch die schönsten Konzertsäle und -hallen Deutschlands schickt.

SZ: Sie sind normalerweise einer der Fleißigsten, was Live-Auftritte angeht. Wie war für Sie das vergangene Jahr?

Wolfgang Haffner: Während der Lockdowns so hart wie für alle, aber im Sommer ganz okay. Ich habe in Europa mit der Band von Bill Evans und Robben Ford gespielt. Und dann viel mit meinem eigenen Trio, gut 20 Auftritte.

Das Programm war "Haffner spielt Haffner"?

Ja, ich wollte nach einigen Jahren mit meiner Trilogie, die sich mit anderen Quellen beschäftigt hat, mal wieder ausschließlich meine Musik spielen. Alles komplett neu überarbeitet. Sachen wie "Heart of Matter", das ja doch recht komplex mit Bläsern war, jetzt für das Trio mit Simon Oslender und Thomas Stieger arrangiert. Und das kam an wie irre. Ich hatte wahrscheinlich noch keine andere Band, die so bejubelt wurde.

Wie gut, dass die beiden jetzt auch die Rhythmusgruppe, also das Rückgrat Ihrer "Dreamband" komplettieren.

Ja, wir werden auch auf der Dreamband-Tour einen kleinen Block im Trio spielen. Denn ich breche das Programm logischerweise etwas auf - es geht ja nicht, dass man mit sieben Leuten zwei Stunden lang durchhupt. Geht schon, will ich aber nicht.

Zu siebt ist alles ein wenig aufwendiger?

Wir hatten gerade zwei Tage Produktionsprobe. Da treffen wir uns bei meinem Techniker und seiner Crew in Schwäbisch-Gmünd, in seinem Riesenlager, wo sein Equipment liegt, die ganzen Boxen, tonnenweise Zeug. Der hat auch meine Schlagzeuge drinstehen, da hab ich wieder wie so ein kleiner Bub überlegt: Welches nehme ich jetzt diesmal mit, das schwarze, das grüne oder das rote? Es wurde dann das rote.

Sie haben zuletzt auf Ibiza gelebt, da stehen bestimmt auch noch ein paar Kits?

Da steht bestimmt noch was von mir rum, etwa im Studio eines Freundes, dem ich mal eines reingestellt habe. Aber ansonsten habe ich alles zurückgeholt, das wird ja nicht besser, wenn es dort in der feuchten Luft herumsteht. Und ich bin auch nicht mehr oft dort unten. Nach acht Jahren in Spanien hatte ich, auch mit der ganzen Reiserei, wieder Bock auf Deutschland. Seitdem hab' ich meinen Hauptwohnsitz wieder hier bei Nürnberg. Das war während Corona auch besser, weil die Insel ja völlig abgeschnitten war. Nein, ich hatte jetzt hier die Zeit meines Lebens. Das klingt vielleicht komisch, aber diese vermeintliche Zeit des Stillstands war bei mir überhaupt kein Stillstand. Ich habe ganz viel in Bewegung gesetzt. Das Trio ist so entstanden, und ich habe mich auch mal einfach um mich gekümmert. Bin nach all diesen Jahren ein bisschen zur Ruhe gekommen. Um mal zu schauen: Was glaub' ich, wer ich eigentlich bin?

Also zurück zu den Wurzeln. Da spielt München auch ein Rolle?

München hat für mich einen ungeheuren Stellenwert. Ich kann mich noch an die allererste Session erinnern, das war der 3. August 1983, dahin bin ich mit 17 noch mit dem Zug gefahren, und habe gleich den Roberto Di Gioia kennengelernt. Und Joe Nay, den legendären Trommler. Ich war dann sicher mindestens jedes zweite Wochenende bei den Münchner Sessions und lernte so die ganzen Münchner kennen. Ich habe damals mitunter 15 Tage im Monat in München gespielt. In der Al Porcino Bigband, beim Konstantin Wecker, auch in The Kick von Wolfgang Schmid, eine enorm wichtige Band für mich. Wir haben oft in einem Club am Stadtrand gespielt, und Klaus Doldinger kam mal vorbei - das war sozusagen mein Einstieg in Passport.

Zurück in die Gegenwart. Sie sprachen von zwei Tagen Produktionsprobe. Was passiert da?

Wir konzipieren das Set, also hauptsächlich ich und der Simon Oslender, der da mein perfekter Partner ist und immer gleich weiß, worauf ich hinauswill. Es geht diesmal vor allem um den Bogen, den das Programm schlagen soll. Um die Geschichte, die mich mit allen in dieser Band während der vergangenen 30 Jahre verbindet. Am längsten mit Randy Brecker, mit dem ich 1988 erstmals gespielt habe. Dann Bill Evans und Nils Landgren, es sind alles meine Herzensspieler. Christopher Dell am Vibrafon etwa ist nicht nur ein Wahnsinnsmusiker, sondern auch ein wichtiger Mensch für mich. Wir sind enge Freunde, ich habe schon auf seiner ersten eigenen Platte 1992 mitgespielt. Später war er im Jazz Baltica Ensemble, das ich zwei Jahre geleitet habe, und zuletzt jahrelang ein entscheidender Part meiner Kind of-Band.

Die meisten Musiker haben wahrscheinlich eine Traumband im Kopf. Ging das bei Ihnen früh los?

Eigentlich nicht, aus folgendem Grund: Ich habe ja schon in den verschiedensten Traumbands gespielt. Unter anderem vor 17 Jahren bei Soulbop, der Band von Randy Brecker und Bill Evans, mit der ich auf großer Europatour war. Die Funk Unit vom Nils Landgren war auch so eine Dreamband, die habe ich schon gehört, da kannte ich den Nils noch gar nicht. Aber selber zusammengestellt habe ich mir so etwas höchstens mal für einen Tag auf einem Festival. Aber vor eineinhalb Jahren war ich beim Karsten Jahnke in Hamburg im Büro, einfach nur zu Besuch, ohne überhaupt über Jazz Nights zu sprechen. Da hab ich einfach mal fantasiert, mit einer Wunschband auf Tour zu gehen. Karsten hat mich gefragt, mit wem, und da habe ich ihm genau diese Besetzung gesagt, die wir jetzt haben. Er hat kurz überlegt und dann gesagt: Ja, das machen wir.

Ein Angebot, das man nicht ablehnen kann.

Ja, es sind jetzt 14 Shows, das ist natürlich ein Wahnsinns-Luxus, in diesen tollen Sälen und Hallen wie dem Prinzregententheater oder dem Admiralspalast in Berlin spielen zu dürfen. Umso gründlicher habe ich mich jetzt seit Monaten darauf vorbereitet, auch dafür war Corona eigentlich ganz gut. Ich mach' das aber auch sehr gerne, so ein Programm zusammenzubauen.

Auf was kann man sich dabei einstellen?

Alle, die kommen, kriegen einen typischen Haffner-Abend. Es gibt bei meinen Konzerten Elemente, die meine Musik ausmachen und immer dabei sind: hypnotische Grooves, schöne Melodien, schöne Harmonien. Musik fürs Herz! Danach habe ich die Stücke von mir zusammengestellt, aber auch eine Nummer vom Nils eingebaut, die ich sehr gerne mag und Hunderte Male gespielt habe, zwei Stücke vom Bill Evans, die wir auch bei seinen Spykillers spielen, eine Nummer vom Randy. Aber alles so eingepasst, dass es nicht danach klingt, als würde man etwas beliebig aneinanderreihen. Sondern dass es wie ein einziges langes Stück wirkt und einen Bogen ergibt.

Wolfgang Haffner, Fr., 5. Nov., Jazztage Ingolstadt, So., 7. Nov., Nürnberg Meistersingerhalle, Mi., 10. November, Prinzregententheater München, Prinzregentenplatz 12

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