Süddeutsche Zeitung

Weihnachten:Fliegerbombe stört den Weihnachtsfrieden in Augsburg

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Von Toni Wölfl, Augsburg

In Augsburg steht eine der größten Evakuierungsmaßnahmen bevor, die je in Deutschland organisiert wurden. Etwa 54 000 Augsburger werden ein unruhiges Weihnachtsfest haben und den ersten Feiertag nicht daheim verbringen können. Weil eine Fliegerbombe aus dem Zweiten Weltkrieg entschärft werden soll, müssen die Bewohner im Stadtteil Jakobervorstadt ihre Häuser verlassen - ausgerechnet am 25. Dezember. Die Entschärfung sei absichtlich auf den Festtag gelegt worden, erklärt der Pressesprecher der Stadt, Richard Goerlich, am Mittwoch.

"Es gibt drei Gründe, warum wir das am ersten Weihnachtsfeiertag machen müssen. Erstens ist es ein großes Unterfangen, wir brauchen entsprechende Vorlaufzeit." Von der Evakuierung seien große Teile der Innenstadt betroffen. Im Umkreis von 1500 Metern um die Fundstelle nahe dem Jakobertor müssen die Bewohner ihre Wohnungen verlassen. "Zweitens herrscht am Feiertag wenig Geschäftstätigkeit. An einem normalen Werktag ist es der doppelte Aufwand, das wäre schier unmöglich." Man wolle während der Entschärfung so wenig Besucher in der Stadt haben wie möglich.

Und drittens biete der erste Feiertag einen zeitlichen Puffer nach hinten. "Als Zeitfenster der Entschärfung wurden uns fünf Stunden genannt", sagt Goerlich. Sollte bei der Ausnahmesituation allerdings etwas Unvorhergesehenes passieren, "dann stünde zur Not noch der zweite Weihnachtsfeiertag zur Verfügung".

Die Bombe war am Dienstagabend bei Bauarbeiten in dem historischen Stadtteil im Osten Augsburgs gefunden worden. Mit 3,8 Tonnen sei die Fliegerbombe britischer Bauart die größte, die je in der Stadt gefunden worden sei. Die Stadt bittet alle betroffenen Bürger, bei Familie und Freunden außerhalb der Schutzzone unterzukommen. Von 8 Uhr an sollen zudem Notunterkünfte in der Messe, in Turnhallen und Schulen bereitstehen. "Mein Wunsch wäre es, dass die Augsburger am ersten Weihnachtsfeiertag zusammenstehen und die für viele Mitbürger unangenehme Situation gemeinsam meistern", sagt Oberbürgermeister Kurt Gribl.

Die unangenehme Situation so angenehm wie möglich zu gestalten, darauf bereitet sich die Stadt nun vor. Der Polizei stehe ein "riesengroßer Einsatz" bevor, sagt Pressesprecher Manfred Gottschalk. Alle Inspektionen werden Kollegen bereitstellen. "Wir bekommen massive Unterstützung von 600 Bereitschaftspolizisten aus ganz Bayern." Außerdem werden Kräfte des benachbarten Präsidiums Schwaben Süd/West erwartet. Den Feiertag werden viele Polizisten also mit Verkehrsabsperrungen auf der Straße verbringen anstatt im trauten Familienkreis.

Den Angestellten der Klinik Vincentinum stehen arbeitsreiche Tage bevor. Das Krankenhaus muss ebenfalls evakuiert werden. Den Transport der etwa 100 Patienten übernehme das BRK, sagt Kreisgeschäftsführer Michael Gebler. "Alle unsere Einheiten sind im Voralarm. Wir bekommen auch Hilfe von anderen Verbänden." Manche haben mit Evakuierungen Erfahrung. Regelmäßig müssen wegen Fliegerbomben ganze Stadtteile evakuiert werden, jüngst in Passau. "Aber die Größenordnung hier stellt alles in den Schatten", sagt Gebler. In der Schutzzone liegen zudem acht Heime für Senioren und eines für Behinderte, die geräumt werden müssen.

Auch der Dom und zwölf katholische sowie fünf evangelische Kirchen sind betroffen. Dort werden am Sonntag keine Gottesdienste stattfinden können, es muss anderswo gefeiert werden. Bischof Konrad Zdarsa sucht noch eine Alternative.

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Quelle:
SZ vom 22.12.2016
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