Süddeutsche Zeitung

Umwelt:Qualität des Grundwassers in Bayern ist in Gefahr

Lesezeit: 3 min

Von Christian Sebald, München

Die Qualität des Grundwassers in Bayern ist zunehmend in Gefahr. Derzeit ist bereits ein Viertel so mit Nitrat belastet, dass es nicht mehr die Vorgaben der EU erfüllt. Aber das ist erst der Anfang. 2021, also in vier Jahren, könnten laut einer Risikoanalyse des Landesamts für Umwelt bereits 38 Prozent der Grundwasserströme im Untergrund die Vorgaben nicht mehr erfüllen.

Agrarminister Helmut Brunner (CSU) will jetzt gegensteuern. Mit dem Umweltministerium und zahlreichen Verbänden, allen voran dem Bauernverband, wird er demnächst einen Wasserpakt besiegeln. Das Ziel: Das Grundwasser soll besser geschützt werden - durch neue Förderprogramme, Beratungen und andere Angebote an die Bauern. Ausgeschlossen sind demnach einzig striktere Vorgaben.

Brunner geht es bei seinem Wasserpakt um nichts weniger als die gesellschaftliche Akzeptanz der Landwirtschaft. Zumindest erklärt er das seit Wochen landauf landab auf großen und kleinen Veranstaltungen.

So auch auf der Grünen Woche in Berlin. "Wenn wir die gesellschaftliche Akzeptanz der Bauern erhalten wollen, müssen wir unbedingt sowohl beim Gewässer-, als auch beim Bodenschutz vorankommen", sagte Brunner auf der international wichtigsten Landwirtschaftsmesse. "Beides wird deshalb der Schwerpunkt meiner Arbeit in diesem Jahr sein."

Denn der Hauptgrund der Misere sind die Bauern. Sie bringen inzwischen so viel Gülle und Kunstdünger auf ihren Feldern und Wiesen aus, dass der Boden das Nitrat aus ihnen nicht mehr komplett aufnehmen kann. Der Stoff sickert ins Grundwasser und wird zu einer immensen Belastung für Mensch und Natur.

Wie brisant der Grundwasserschutz ist, zeigt auch die Klage der EU gegen Deutschland vor dem Europäischen Gerichtshof. Der Vorwurf der EU: Bund und Länder tun seit Jahren viel zu wenig für den Schutz der Gewässer. Dass die EU mit ihrem Vorwurf so falsch nicht liegt, zeigt das jahrelange Ringen mit dem Bauernverband um ein neues Güllegesetz und eine neue Gülleverordnung.

Eigentlich sollten Gesetz und Verordnung, deren Ziel ebenfalls die Verringerung des Nitrateintrags in Gewässer ist, längst unter Dach und Fach sein. Aber der Widerstand des Bauernverbands und seiner Anhänger bis hinauf zu Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) waren so massiv, dass die Verabschiedungen wohl erst jetzt erfolgen können - die des Güllegesetzes nächste Woche, die der Gülleverordnung bis Ende März.

Nitrat ist ein janusköpfiger Stoff. Einerseits ist Nitrat von entscheidender Bedeutung für das Wachstum von Pflanzen. Auf der anderen Seite schädigt zu viel Nitrat im Wasser die Flora und Fauna. Außerdem kann zu viel Nitrat schlimme Auswirkungen auf die Gesundheit haben. So kann der Stoff bei Säuglingen den Sauerstofftransport im Blut behindern, bis sie blau anlaufen. Nitrat steht auch im Verdacht, Krebs auslösen zu können, wenn es im Magen in Nitrosamine umgewandelt wird. In der EU gilt daher ein Nitrat-Grenzwert für Trinkwasser von 50 Milligramm je Liter.

Vielen Fachleuten ist dieser Grenzwert viel zu hoch angesetzt. Denn der natürliche Nitrat-Gehalt des Grundwassers beträgt in der Regel maximal zehn Milligramm je Liter. Der natürliche Wert wird allerdings bereits an mehr als der Hälfte der 160 Messstellen im Freistaat überschritten - die Tendenz ist laut Landesamt für Umwelt weiter steigend. Besonders gefährdet sind Regionen mit Massentierhaltungen und intensivem Maisanbau für Biogasanlagen - etwa der Raum Landshut und der Landkreis Donau-Ries, aber auch weite Teile Frankens und der Oberpfalz.

Nur ein einziger Naturschutzverband ist dabei

Brunners neuer Wasserpakt ist denn auch durchaus umstritten. Der Grund ist, dass er ausschließlich auf Förderprogramme für die Bauern und andere freiwillige Maßnahmen setzt, statt auf strengere Vorgaben. Der Bayerische Gemeindetag, der dem Pakt ursprünglich ebenfalls beitreten sollte, hat sich denn auch verweigert.

Man sehe "die Zeit für Freiwilligkeitsverpflichtungen sowie eine Paktvereinbarung als abgelaufen an", teilte der Kommunalverband, dem praktisch alle kleinen Gemeinden auf dem Land angehören, im Mai 2016 dem Agrarministerium kühl mit. Stattdessen bedürfe es "einer strikten Umsetzung und Einhaltung rechtlicher Vorgaben". Gemeindetagschef Uwe Brandl bekräftigt, dass man zu dieser Auffassung stehe.

Auffällig ist zudem, dass mit Ausnahme des Landesfischereiverbands kein einziger Naturschutzverband Paktpartner ist. Im Gegenteil: Beim Bund Naturschutz, der immerhin der stärkste Umweltverband Bayerns ist, wussten sie bis vor Kurzem nicht einmal, dass ein solcher Pakt geschlossen werden soll. So wie sie auch in führenden Umweltbehörden völlig davon überrumpelt wurden, dass es demnächst einen Wasserpakt geben wird.

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Quelle:
SZ vom 09.02.2017
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