Süddeutsche Zeitung

Spekulation um neuen CSU-Fraktionschef:Zwei wild Entschlossene

Lesezeit: 3 min

Die CSU braucht einen neuen Fraktionschef. Oder eine neue Fraktionschefin. Es ist ein Schlüsselposten für die Zeit nach Horst Seehofer, deswegen interessieren sich Markus Söder und Ilse Aigner auch so sehr für ihn. Doch beide wissen: Noch nie wurde ein Amtsinhaber neuer Ministerpräsident.

Von Frank Müller

Neulich musste Horst Seehofer vorzeitig von Bord, buchstäblich. Die Landtagsabgeordneten der CSU waren zum Ausklang der Legislaturperiode auf einem Schiff am Starnberger See beisammen, ein schöner warmer Sommerabend. Es war Markus Söders Schiff, gewissermaßen. Der Finanzminister ist zugleich Herr über die bayerische Seenschifffahrt.

Doch Seehofer wie auch die amtierende Fraktionschefin Christa Stewens hatten noch Termine und mussten vorzeitig an Land. Journalisten waren nicht an Bord, von Seehofer ist nur der spaßige Abschiedssatz überliefert: Es sei ihm zwar unangenehm, Söder das Kommando zu überlassen, doch es müsse eben sein. Wie passend, dass Söder ein dunkelblaues Sakko anhatte. Nicht direkt eine Kapitänsuniform, wie man sie ihm in der Partei durchaus zugetraut hatte. Aber doch zumindest ein Hauch von Marine. Söder, der Konteradmiral.

Es gibt momentan viele solcher Szenen in der CSU. Sie alle haben den Charme, dass sie natürlich nichts, gar nichts, ü-b-e-r-h-a-u-p-t- nichts zu bedeuten haben, wie es dann heißt. Und dass man in sie doch eine Menge hineinlegen kann. Denn, wenn man so will: Das CSU-Fraktionsschiff braucht schnell einen neuen Kapitän, es ist der einzige herausgehobene CSU-Posten, der mit hundertprozentiger Sicherheit neu besetzt wird.

Erst ging Georg Schmid als Kommandeur über Bord. Auch Übergangs-Nachfolgerin Christa Stewens tritt schon wieder ab, weil sie an ihrem Karriereende wie geplant festhält. Gesucht wird der oder die Neue - es ist ein Schlüsseljob. Denn wenn, wonach es aussieht, die CSU an der Regierung bleibt, dann wird es die Fraktion sein, die Horst Seehofer vielleicht weitere fünf Jahre an der Regierung lässt. Oder ihm womöglich nach drei Jahren bedeutet, seine Zeit sei jetzt vorbei. Es sind die Abgeordneten der Fraktion, die den Ministerpräsidenten wählen - und auch irgendwann seinen Nachfolger.

All das mag Markus Söder gerade durch den Kopf gehen. Doch er sagt dazu nichts. Wie entschlossen er ist, Seehofer irgendwann zu beerben, weiß jeder in der Partei. Es gibt noch jemanden, der sich so verhält. Ilse Aigner, die Berliner Noch-Verbraucherministerin, die Seehofer zur Verstärkung nach München zurückgebeten hat.

Auch sie sagt nichts, auch sie hält sich für noch nicht ganz oben angekommen. Auch Ilse Aigner, heißt es, wolle auf diesem Weg Zwischenstation an der Fraktionsspitze machen. An diesem Samstag muss sie sich auf dem Parteitag der Oberbayern-CSU der Wiederwahl als Bezirkschefin stellen. Dort wollen viele einen übermächtigen Franken Söder verhindern. Deswegen kursiert die Losung, Aigners Ambitionen mit einem starken Ergebnis zu untermauern.

Doch auch Aigner weiß: Die Ahnengalerie der CSU-Fraktionschefs besteht zwar überwiegend aus starken Figuren: Franz Heubl, August Lang, Gerold Tandler, Alois Glück, Joachim Herrmann . . . - jedoch: Nie ist bislang ein CSU-Fraktionschef Ministerpräsident geworden. Den wählte sich die Fraktion meist aus einem Ministeramt heraus: Alfons Goppel, Max Streibl, Edmund Stoiber, Günther Beckstein - auch Seehofer war zuvor Minister in Berlin.

Soll man, muss man also Fraktionschef werden? Oder haben eine Aigner, ein Söder vielleicht viel bessere Karten als herausgehobene Mitglieder des neuen Kabinetts Seehofer? Formal wählt die Fraktion ihren neuen Chef selbst, darin meinte der gescheiterte Georg Schmid noch einen Strohhalm zu erkennen, als ihm schon längst alles davonschwamm. In der Praxis ist der Posten Teil von Seehofers Gesamtmanövriermasse nach der Wahl. Seehofer will sein Kabinett offenbar großflächig umbilden.

Die Frage ist nur: Wie stark macht ihn das Landtagswahlergebnis - stark genug, um einen ihm als Fraktionschef ständig auf den Fersen seienden Söder zu verhindern? Zwischen beiden gibt es offene Rechnungen, für einen, der sie nicht vergessen hat, ist der Fraktionschef ein schöner Posten, bei dem man nicht in die Kabinettsdisziplin eingebunden ist. Er ist auch attraktiv bezahlt, weil die Landtags-CSU nicht davon lassen will, ihren Chef auf "gleicher Augenhöhe" wie einen Minister zu entlohnen.

Eine Koalition spräche für Aigner

Seehofer hat schon mehrmals deutlich gemacht, dass er vor jedem Karrierewunsch erst einmal persönliches gutes Abschneiden bei der Wahl sehen will. Sprich: Wer viele Stimmen bekommt, qualifiziert sich auch für Höheres. Doch es gibt noch andere Kriterien: Sollte die CSU wieder die alleinige Mehrheit erlangen, bräuchte die Fraktion wohl eher einen durchsetzungsstarken Anführer. Das könnte für Söder sprechen. Ob er dagegen das ausgleichende Temperament für eine Koalitionsregierung verkörpert, scheint fraglich - eine Koalition spräche also für Aigner.

Schon gibt es die Lesart, Seehofer könnte am Ende auf ganz andere Lösungen verfallen. Innenminister Joachim Herrmann wird als möglicher Rückkehrer an die Fraktionsspitze genannt. Er führte die Fraktion fünf Jahre, bevor er Becksteins Nachfolger als Innenminister wurde. Allerdings bräuchte es wohl sehr viel Überredungskunst, um Herrmann auf einen anderen Posten wegzuloben.

Das könnte bei Thomas Kreuzer anders sein, der schon unter Herrmann Vizefraktionschef war und jetzt die Staatskanzlei leitet. Für ihn wäre ein Wechsel ein Aufstieg. Er hat sich zuletzt bei Seehofer Verdienste erworben, als er in der Verwandtenaffäre den Aufräumer in der Fraktion gab und den Willen des Ministerpräsidenten durchsetzte.

Ausgeschlossen ist nur eines: dass Seehofer selbst im Falle einer Niederlage bei der Wahl Fraktionschef wird - dies wäre dann der einzig nennenswerte noch übrige Posten. Seehofer hat zwar angekündigt, sein Mandat in jedem Fall anzunehmen. Doch die CSU würde ihn ganz schnell aus der vordersten Reihe entfernen.

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Quelle:
SZ vom 27.07.2013
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