Süddeutsche Zeitung

Gedenkkultur:Soll der Richard-Wagner-Platz in Nürnberg umbenannt werden?

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Jener Platz vor dem Opernhaus, das einst von den Nazis umgebaut wurde? Ein Aufruf aus der linken Szene fordert das. Für eine lebhafte Debatte könnte aber eine andere überraschende Wortmeldung sorgen.

Kolumne von Olaf Przybilla, Nürnberg

An diesem Freitag werden sich Menschen auf dem Richard-Wagner-Platz in Nürnberg versammeln und ein Anliegen vorbringen: Ginge es nach ihnen, so soll die Piazza vor dem Opernhaus künftig nicht mehr nach dem Komponisten benannt sein. Sondern nach der Musikerin und KZ-Überlebenden Esther Bejarano.

Der Aufruf trägt den Titel "Wagnerdämmerung - für eine antifaschistische Gedenkkultur"; die ihn verantworten, würden es vermutlich nicht als Beleidigung deuten, sollte man sie auf der äußeren linken Seite der Gesellschaft verorten. Und so hofften sie wohl selbst nicht auf hochfrequente Beachtung.

Das Thema ist ja nicht komplett neu. Vor anderthalb Jahren ploppte es auf, Hintergrund war eine Liste zu problematischen Straßennamen in Berlin. Dass der Autor der furchtbaren Schrift "Das Judenthum in der Musik" - Richard Wagner - Antisemit war, bestreiten selbst Wagnerianer nicht. Die Diskussion flackerte lediglich kurz auf. Bis sich Barrie Kosky zu Wort meldete, genialer Wagner-Inszenierer jüdischer Abstammung, und mit Verve davor warnte, etwas einfach zu tilgen, statt es immer wieder zu befragen. Mit so einer Streichung, sagte Kosky, gehe man in Sachen Wagner "durch eine Tür, durch die man nicht zurückkommen kann".

Die Debatte verebbte, könnte nun aber von Nürnberg aus wieder entfacht werden. Aber weniger durch den Aufruf, eher durch einen überraschenden Kommentar in den örtlichen Medien. Der Musikkritiker der Nürnberger Zeitung (NZ) plädiert dafür, den Platz vor Nürnbergs Oper tatsächlich umzubenennen. Bei Platzbenennungen, argumentiert er, könne man "die Trennung von Künstler und Werk" nicht durchhalten - sondern ehre "immer den ganzen Menschen".

Der das fordert ist Wagner-Fachmann und Dauergast am Grünen Hügel. Sein Stammblatt, die NZ, steht in konservativem Ruf; und als Person dürfte der Kritiker in eher aktivistisch orientierten Kreisen bestenfalls als weiser Mann gelten. Umso verblüffender ist die Wortmeldung. Da versteht es offenbar jemand, seine Blase zu verlassen.

In Nürnberg haben die Nazis das Opernhaus umgebaut, Richard Wagners "Meistersinger" spielten zur Eröffnung der NS-Reichsparteitage eine wesentliche Rolle. Ob von Nürnberg nun eine - wie es so schön heißt: ergebnisoffene - Debatte ausgeht kurz vor den Wagner-Festspielen in Bayreuth? Einzuwenden wäre dagegen nichts. Zu viel kann man über Wagner gar nicht diskutieren.

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